Keine Hände schütteln, Abstand halten, Mundschutz tragen – das sind die wichtigsten Regeln im „new normal“, unserem neuen Alltag seit etwa einem halben Jahr. Seitdem bestimmt das Coronavirus unser Leben – mal mehr, mal weniger. Heute möchte ich die Zeit Revue passieren lassen und Ihnen ein Update zur Lage Ihrer Bank geben.
Wie der Lockdown mein Leben verändert hat
Während des Lockdowns habe ich von zu Hause gearbeitet. Und wir sind nicht in den Urlaub gefahren. Das hieß automatisch: mehr Zeit mit meiner Frau, unserer zweijährigen Tochter und während der Schulferien auch mit meinen 4 großen Kindern und unserem Hund Quentin zu verbringen. Mir persönlich hat diese Zeit bewusst gemacht, wie wertvoll unsere Freiheitsrechte und das zwischenmenschliche Miteinander sind. Das Leben war plötzlich entschleunigt, kein hektisches Rennen auf dem Flughafen zum Gate, keinen Zug verpasst, fast alle externen Meetings erst einmal ausgefallen. Vor dem Lockdown war ich immer viel unterwegs. Die ganze Reiserei fiel mit einem Mal weg und wurde durch Videokonferenzen ersetzt. So hatte ich plötzlich mehr Zeit für andere Aufgaben, wie die Weiterentwicklung der digitalen Kontoeröffnung, die Entwicklung einer Kunden-App, das nachhaltigere Aufstellen der Bank etc. Sehr vermisst habe ich aber den direkten Kontakt zu Mitarbeitern, Kunden, Kollegen und Geschäftspartnern.
Fokus in der Bank: Gesundheit der Kunden und Mitarbeiter
Als Vorstand der Quirin Privatbank war es mir von Anfang an wichtig, die Gesundheit unserer Kunden und Mitarbeiter zu schützen. Innerhalb von zehn Tagen waren 97 Prozent aller Mitarbeiter im Homeoffice und von dort voll arbeitsfähig. Parallel wollten wir keinesfalls den Kontakt zu unseren Kunden abreißen lassen und den reibungslosen Ablauf des operativen Tagesgeschäftes sicherstellen. Beides ist uns – aus meiner Sicht – ziemlich gut gelungen. Wir haben die Kundenkommunikation auf eine wöchentliche Taktung umgestellt, einen Podcast auf die Beine gestellt, eine digitale Anlegersprechstunde angeboten und vieles mehr.
Börsencrash im März schmälert die Erlöse
Mit dem – ich mag diesen Begriff nicht, aber hier ist er einfach treffend – historischen Börsencrash im März hatten wir uns als Bank auf schwere Zeiten eingestellt. Die Entwicklung der folgenden Wochen und Monate überraschte mich dann jedoch eher positiv. Der Einbruch der Märkte um 40 Prozent war zum Glück nur von kurzer Dauer, schnell folgte eine kräftige Erholung.
Stand heute rechnen wir aber mit geringeren Erlösen als ursprünglich prognostiziert und mit einem reduzierten Betriebsergebnis. Erfreulicherweise ist der Geschäftsverlauf insgesamt dennoch deutlich besser als zunächst befürchtet. So konnte die Bank das erste Halbjahr trotz aller Investitionen mit einem Ergebnis von 1,9 Millionen Euro abschließen. Damit werden wir voraussichtlich ein weiteres positives Jahr abschließen – und das nun schon zum achten Mal in Folge.
Gemeinsam durch die Krise: Kunden sind investiert geblieben
Besonders freut mich, dass der überwiegende Teil unserer Kunden in der äußerst turbulenten Börsenphase im März dieses Jahres ruhig und besonnen geblieben und nicht übereilt aus den Märkten ausgestiegen ist. Dank hoher Nettomittelzuflüsse im ersten Quartal 2020 und einem sehr stabilen Kundenverhalten während der Krise, das zu weiteren Mittelzuflüssen geführt hat (wenn auch in geringerem Maße), hat die Bank in diesem Jahr bisher über 500 Millionen Euro neue Gelder gewonnen. Dafür ein großes Dankeschön an alle Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank.
Chancen überwiegen die Risiken
In Krisen fokussiere ich mich gerne auf die Chancen, die sich ergeben, ohne dabei die Schattenseiten schönzureden. Die Gefahren liegen aktuell auf der Hand: dass die Krise mit dem Aufkommen einer zweiten Welle länger dauern kann als angenommen, dass die Hilfspakete nicht ausreichen oder dass sie die Haushaltsstabilität gefährden, dass die Marktwirtschaft auf Dauer der Verlierer sein könnte, insbesondere der deutsche Mittelstand, und dass eine entsprechende Insolvenzwelle drohen könnte.
Aber es gibt eben auch Chancen: Diese Krise hat Deutschland aus dem Wohlstandsschlaf gerissen – und das ist gut so. So werden hoffentlich endlich Themen angegangen, die schon lange hätten angegangen werden müssen: mehr Wertschätzung für systemrelevante Berufe, die chronisch unterbezahlt sind, ein Wandel zu einem insgesamt verantwortungsvolleren Leben und ein kräftiger Investitionsschub in Sachen Digitalisierung.
Was die Geldanlage angeht, darf Deutschland nicht verpassen, Vermögen aufzubauen. Ein angespartes Vermögen bildet in Krisenzeiten eben auch einen echten finanziellen Puffer. Wir haben im Vergleich zu anderen Ländern in Westeuropa 10 Prozent mehr Gelder als Spareinlagen herumliegen, die sich nicht vermehren, sondern immer weniger werden. Aktien können und müssen hier stärker genutzt werden für den Vermögensaufbau. Voraussetzung für mehr Aktienanlagen ist eine bessere Finanzbildung – auch dazu könnte die Coronakrise beitragen.
Zudem glaube ich fest daran, dass Europa bei der Bewältigung dieser Krise wieder stärker zusammenwachsen kann. Und ich sehe auch die Chance für eine generell höhere Menschlichkeit im Miteinander und dafür, dass Menschen persönliche Beziehungen wieder mehr wertschätzen.
Insgesamt sehe ich mehr Chancen als Risiken. Wir sollten die Selbstheilungskräfte der globalen Marktwirtschaft nicht unterschätzen. Unternehmen sind innovativ und stellen sich auf neue Situationen ein, das haben auch schon vergangene Krisen gezeigt.
Die Krise ist noch nicht vorbei: Maßnahmen mit Augenmaß
Für die nahe Zukunft wünsche ich mir, dass auch beim Aufkommen einer zweiten Infektionswelle die Maßnahmen der Politik mit Augenmaß getroffen werden. Wir haben jetzt Erfahrungen mit dem Virus und sind nicht unvorbereitet wie im März. Gleiches wünsche ich mir für die aktuell geltenden Maßnahmen. Dabei haben jegliche Präventionsmaßnahmen immer ein Problem: Sind sie wirkungsvoll, wie es bei uns in den letzten Wochen und Monaten der Fall war, ist der Grund, warum sie ergriffen wurden, nicht mehr spürbar. Und damit werden sie auch schneller in Frage gestellt oder als übertrieben eingestuft. Dieses Phänomen wird auch als Präventionsparadoxon bezeichnet.
Darum geht es mir aber nicht. Präventionsmaßnahmen sind essentiell, das ist keine Frage. Aber wir dürfen dabei nicht die gesamte Wirtschaft gegen den Baum fahren. Denn es gibt sehr wohl Branchen, die gerade ums Überleben kämpfen – und das hat langfristige Folgen für uns alle. Statt des Gießkannenprinzips, was wir heute erleben, wäre beispielsweise eine Hochrisikopersonenstrategie gegebenenfalls eine bessere Strategie. Das ist dann eben nicht alles für alle, sondern der wirksame Schutz derer, die ihn wirklich brauchen.
Rückkehr zur alten Normalität
Ja, ich bin kein Virologe, aber ich mache mir – wie jeder Mensch – natürlich meine Gedanken. Ich bin froh, in einem Land zu leben, dessen Regierung (im Gegensatz zu vielen anderen) schnell und umfassend auf den Ausbruch des Coronavirus reagiert hat. Trotzdem oder genau deswegen wünsche ich mir aber auch etwas weniger Staatsgläubigkeit – denn die ist auf Dauer noch nie gut gegangen.
Hätten Sie mich vor der Pandemie gefragt, hätte ich Einschränkungen der Freiheitsrechte, wie wir sie gerade erleben oder erlebt haben, nicht für möglich gehalten. Hygieneregeln, Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote. Das Recht, geliebte Menschen zu treffen, zu verreisen, ins Stadion oder auf ein Konzert zu gehen, Sport zu treiben oder Ähnliches, wurde eingeschränkt. Spätestens wenn ein Impfstoff gegen das Virus gefunden ist, sollten diese Einschränkungen schnell und vollständig rückgängig gemacht werden.
Ihr Karl Matthäus Schmidt
Hören Sie gerne auch in meinen Podcast „klug anlegen“ – ein must have für alle Anleger. Jeden Freitag stehe ich Börsenmoderator Andreas Franik Rede und Antwort und schildere meine Sicht auf die Themen Geldanlage, Finanzen und aktuelle Entwicklungen an den Kapitalmärkten. Es lohnt sich!