Im April 2023 erfreute sich der DAX eines Rekordhochs – er stand Mitte des Monats bei etwa 15.800 Punkten und verzeichnete damit den bis dahin höchsten Stand des Jahres. Diesen Höhenflug hat die von mir sehr geschätzte und gern gelesene WirtschaftsWoche zum Anlass genommen, um ihren Leserinnen und Lesern eine Anlagestrategie für die kommenden Monate zu empfehlen.[1] An diesem Text bin ich hängengeblieben, leider eher im negativen Sinne. Doch von vorn.
Los ging’s in dem Artikel damit, dass 2023 ein schwieriges Jahr sei und dass Aktien dennoch unverzichtbar bleiben würden. So weit, so gut. Danach wurde es aus meiner Sicht aber wild und widersprüchlich. So schrieb der Autor in der Unterüberschrift noch, dass Diversifikation wichtiger denn je sei, um direkt danach Stock-Picking zu empfehlen, also eine ganz gezielte Einzeltitelauswahl. Er begründete das wie folgt: „Die unsichere Gemengelage macht erfolgreiche Geldanlage zur Herausforderung“ und empfahl dann: „Bei Aktien auf den breiten Markt zu setzen, dürfte (…) aber eher unbefriedigende Ergebnisse bringen. (…) Selektion wird sich deshalb in den kommenden Monaten auszahlen.“
Acht Aktien … für Ihren Anlageerfolg?
Diversifikation und Stock-Picking schließen sich gegenseitig jedoch per se aus. Entweder setzen Anlegende breit gestreut auf den gesamten Markt, dann haben sie ein diversifiziertes Portfolio. Oder sie setzen auf Einzeltitel und haben kein breit gestreutes Depot im wissenschaftlichen Sinne. Der Autor griff acht Einzelaktien heraus, die seiner Auffassung nach „stabile Renditen liefern“ sollten. Ich habe mir diese Aktien über den Jahresverlauf mal etwas genauer angesehen, immer mit der Frage im Hinterkopf: Was, wenn Anlegende diese Aktientipps der WiWo befolgt hätten, was wäre dann aus ihrem Geld geworden?
Die Performance der „Stabilität versprechenden Aktien“
Die WiWo empfahl für ein renditestarkes Investment „Stabilität versprechende Aktien“, diese würden laut dem Wirtschaftsmagazin durch robuste Bilanzen und Konjunktursensibilität punkten. Auf dieser Basis wurden die nachfolgenden Aktien empfohlen: Beiersdorf, Schoeller-Bleckmann, Ariston, 7C Solarparken, BAT, Rheinmetall, Ferrari und die Deutsche Börse. Doch hielten diese Werte, was die WiWo ihrer Leserschaft in Aussicht stellte, nämlich stabile Renditen? Der Blick auf die Performance vom Erscheinen des Artikels Mitte April bis zum Jahresende ist leider sehr ernüchternd, um nicht zu sagen bitter aus Anlegersicht. Das zeigt die folgende Grafik.
Wenn wir uns vor Augen halten, dass breit gestreute Aktienanlagen langfristig im Schnitt pro Jahr 7 bis 8 Prozent Rendite bringen, dann kann man Ferrari durchaus als gutes Investment unter den empfohlenen Aktien bewerten, zumal wir ja nicht das ganze Jahr betrachten, sondern nur Mitte April bis Ende Dezember. Und in diesem Zeitraum ist die Aktie um 17,57 Prozent gestiegen, ein beachtliches Ergebnis. Auch Beiersdorf-Investoren konnten sich über 12,61 Prozent Performance freuen.
Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die enorm an Wert verloren haben, wie Ariston – die Aktie fiel um 36,62 Prozent, ein Drittel des vorherigen Unternehmenswertes. Ähnlich mau sieht es bei Schoeller-Bleckmann aus – das Unternehmen verlor 26,33 Prozent an Wert. Es gab unter den WiWo-Tipps also Überflieger genauso wie absolute Absturzkandidaten.
Wenn Sie den Rat der WiWo beherzigt und alle acht Titel in Ihr Portfolio geholt hätten, hätten Sie am Ende des Jahres weniger Geld als zum Investitionszeitpunkt im April gehabt, nämlich mindestes 5,45 Prozent weniger, das war die Gesamtperformance aller acht Werte. Wohlgemerkt ohne Handels- und Depotkosten. Noch schlimmer sähe die Bilanz aus, wenn Sie dem Hinweis der Redaktion gefolgt wären, Beiersdorf erst bei einem Kurswert von 110 Euro zu kaufen. Diese Schwelle wurde nämlich nie erreicht, Beiersdorf wäre also nicht in Ihr Depot gewandert. Dann hätten Sie mit den anderen sieben Werten einen Verlust von -8,03 Prozent erzielt.
Im Vergleich dazu hat der deutsche Leitindex DAX im selben Zeitraum deutlich besser performt und um 5,97 Prozent zugelegt. Und unsere Vermögensverwaltung „Markt“ mit 100 Prozent Aktien ist um 8,45 Prozent gewachsen, nach Kosten. Seit 2011 hat dieselbe Marktstrategie 8,24 Prozent Rendite annualisiert erwirtschaftet (siehe nachfolgende Grafik).
Solche Depotstrukturen können Sie Ihr Vermögen kosten
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, liebe Leserinnen und Leser: Auch in unseren Depots gab es schon Jahre, in denen wir Verluste verschmerzen mussten. Der Punkt ist, dass die Verlustgefahr in einem maximal breit diversifizierten Portfolio viel geringer ist als in einem Depot, das nur aus wenigen einzelnen Aktien besteht. Das WiWo-Depot ist nicht nur schlecht gelaufen, sondern solche Depotstrukturen können richtig Vermögen kosten. Es gibt zudem keinerlei Garantie, dass sich betroffene Depots jemals wieder von derartigen Tiefschlägen erholen. Denken Sie nur an die Aktie der Deutschen Bank – viele Anleger halten diese für ein gutes Investment, da das Unternehmen ein Global Player ist, der Souveränität ausstrahlt. Und doch hat die Aktie seit Mai 1998 etwa 90 Prozent an Wert verloren. 90 Prozent! Von einem solchen Verlust erholt sich ein Depot nur in den seltensten Fällen. Nicht umsonst gibt es die goldene Regel der Geldanlage, nicht alle Eier nur in einen Korb zu legen, sondern möglichst breit zu streuen. Wer alles auf eine Karte setzt, kann auch alles verlieren. Übrigens: Wenn ich von Diversifikation im wissenschaftlichen Sinne spreche, meine ich nicht 40 Aktien oder 100, sondern mindestens über 3.000.
Medienberichte, die suggerieren: „Mit diesen acht Werten kann nix schiefgehen“, sind fast schon fahrlässig. Einzelwerte sind und bleiben Spekulation, da können Sie auch gleich Roulette spielen. Es droht der Totalverlust und Sie als Anlegerin oder Anleger haben keine Chance, entstandene Verluste wieder reinzuholen. Was ich zudem schwierig finde, ist die Erwartungshaltung, die man mit derartigen Tipps bei Anlegerinnen und Anlegern weckt. Die Erwartung ist: Ich erziele eine Überrendite. Doch es ist reine Glückssache, ob die dann kommt oder nicht – und wie die acht Aktientipps oben zeigen, steht die Quote nicht sonderlich gut. Glück ist für sehr vieles im Leben ganz wunderbar, aber es ist definitiv keine kluge Anlagestrategie für das eigene Geld. Deshalb machen Sie Ihre Vermögensanlage nicht zur Glückssache, sondern schaffen Sie mit einem strategischen Investment – breit gestreut in den gesamten Markt, prognosefrei, kostengünstig – eine gute Basis für echten Anlageerfolg. Die vermeintlich besten Einzeltitel können Sie indes getrost ignorieren.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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