Welche Aktie oder welcher Fonds bringt die meiste Rendite? Das ist für Anleger die Frage aller Fragen. Die Redakteurinnen und Redakteure einer großen Finanzzeitschrift, in die ich regelmäßig einen Blick werfe, haben Anfang 2021 versucht, sie für ihre Leserinnen und Leser zu beantworten, und jeweils einen ganz persönlichen Favoriten-Tipp abgegeben. Am Ende des Jahres schaute das Redaktionsteam dann gemeinsam auf diese Tipps und vor allem darauf, wie viel Performance sie jeweils gebracht hatten. Die Ergebnisse wurden in der letzten Ausgabe des Jahres veröffentlicht – und sind für einen Aktienanlagen-Fan wie mich überaus spannend.
Qualitativ betrachtet war das zunächst ein buntes Potpourri an Anlage-Empfehlungen: Vom Tech-Giganten über Sportartikel-Hersteller bis hin zum breit aufgestellten ETF war alles dabei, auch nachhaltige Anlagen. Quantitativ brachten die 29 auswertbaren Tipps im Jahr 2021 eine Gesamtrendite von 546 Prozent, das sind pro Anlage-Tipp gut 19 Prozent. Das klingt beeindruckend, gehen wir durchschnittlich doch eher von 6 bis 7 Prozent Rendite pro anno im langfristigen Mittel aus bei einem weltweit maximal gestreuten Aktieninvestment.
Markt schlägt die Redaktionstipps
Um diese rund 19 Prozent etwas besser einordnen zu können – ist das viel, ist das wenig –, habe ich mir angesehen, wie sich die Märkte in 2021 generell entwickelt haben.
Halten wir also fest: Ein breit diversifiziertes Aktienportfolio wie die Vermögensverwaltung „Markt“ hat 2021 etwa 7 Prozentpunkte mehr gebracht als das Mittel der Redaktions-Tipps. Ähnlich verhielt es sich mit dem MSCI ACWI, der DAX lag hingegen leicht hinter den Redaktions-Tipps.
Zwei Drittel der Profi-Tipps liegen unter Markt-Rendite
Doch schauen wir uns die einzelnen Tipps noch einmal etwas genauer an: Von den 29 Top-Empfehlungen schnitten nur 9 besser ab als das breit gestreute Marktportfolio, das ist nicht einmal jede dritte Empfehlung (31 Prozent). Das heißt im Umkehrschluss: 69 Prozent der Tipps (20 von 29) konnten nur eine (zum Teil deutlich) schlechtere Performance erzielen als ein breit gestreutes Marktportfolio. Zwei Drittel der Redakteurinnen und Redakteure lagen trotz ihrer hohen Kompetenz in Sachen Geldanlage und Vermögensaufbau also mit ihren Empfehlungen unter der Markt-Performance. Acht Tipps erzielten sogar eine negative Rendite, das sind 28 Prozent. Und 2021 war ein Top-Aktien-Jahr!
Selbst für Experten schwierig
Verstehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, mich bitte nicht falsch, es geht mir nicht darum, die Redakteurinnen und Redakteure dieser Finanzzeitschrift bloßzustellen, im Gegenteil. Die Redaktion leistet Woche für Woche einen erheblichen Beitrag dazu, dass mehr Menschen besser über die Chancen und Risiken der Kapitalmärkte aufgeklärt werden, und tragen so dazu bei, dass mehr Anlegerinnen und Anleger die Chancen, die sich mit einer Kapitalmarktanlage bieten, nutzen. Nur so kann heute Vermögen überhaupt noch vermehrt oder aufgebaut werden. Ich möchte mit diesem Artikel nur zeigen, wie schwer es offensichtlich selbst für gestandene und erfahrene Experten ist, einzelne Top-Aktien zu benennen, weil eben niemand die tatsächliche Entwicklung der Kapitalmärkte vorhersehen kann.
Verlustrisiko bei Einzelaktien ungleich höher
Selbst wenn es Anlegern, Redakteuren oder selbsternannten Gurus gelingt, einen (vermeintlichen) Top-Tipp zu identifizieren, bleibt das Problem des enormen Verlustrisikos bei Einzelaktien. Es ist und bleibt eher ein Glücksspiel mit schlechten Quoten als wirklich gewinnbringend. Ja, jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Risiken verbunden, da es immer Schwankungen der Märkte gibt. Bei Einzelaktien sind diese aber unverhältnismäßig hoch. Und: Es ist nicht notwendig, ein so hohes Risiko einzugehen. Setzen Sie stattdessen breit gestreut auf den gesamten Mark – damit fahren Sie höchstwahrscheinlich eine bessere Rendite ein und sind deutlich geringeren Verlustrisiken weniger Titel ausgesetzt. Wenn in einem breit gestreuten Portfolio mit 12.000 Unternehmen eines oder mehrere Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, dann werden Sie das kaum oder gar nicht spüren, anders sieht das in einem Portfolio mit 20 (Lieblings-)Aktien aus, die nicht selten noch auf eine Branche konzentriert sind.
Affe schlägt Wall-Street-Broker
Mein Kollege, Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank, von dem Sie an dieser Stelle alle zwei Wochen „Mays Logbuch“ erhalten, meinte in diesem Zusammenhang zu mir, dass ich unbedingt auch das Beispiel mit dem Affen bringen solle, der erfolgreicher war als viele gestandene Wall-Street-Broker. Und recht hat er. Auch wenn der eine oder andere von Ihnen die Geschichte vielleicht schon kennt – für alle anderen gebe ich sie kurz zum Besten. Der Schimpanse Raven war 1999 der Star der Wall Street. Während des Dotcom-Booms legte der Affe ein Aktienportfolio an, dessen Wert nach einem Jahr um sage und schreibe 213 Prozent gestiegen war. Der sechsjährige Affe übertrumpfte so die Prognosen von rund 6.000 Brokern an der Wall Street und wurde einer der besten Investoren des Jahres. Die einzelnen Aktien, 133 Internet-Unternehmen waren es am Ende, wurden dabei blind und zufällig per Dartpfeil von dem Affen „ausgewählt“.[3]
Hatte der Schimpanse einfach Glück? Nein. Dieses Experiment wurde im Nachgang des Öfteren von Forschern wiederholt. So ließ beispielsweise die britische Zeitschrift „The Observer“ 2013 eine Katze eine Spielzeugmaus auf Aktiennamen werfen. Mit diesem Portfolio machte die Katze 11 Prozent in dem Jahr, eine Gruppe von Investment-Profis lag mit 3,5 Prozent deutlich darunter.
Überlassen Sie Ihre Rendite nicht dem Zufall!
Und was will ich Ihnen jetzt damit sagen? Die eine Top-Aktie zu finden, die dauerhaft den Markt schlägt, ist schwer und gelingt selbst Experten bestenfalls zufällig. Die ausschließlich vom Zufall getriebenen Aktien-Tipps eines Affen und einer Katze waren genauso erfolgreich wie die sorgfältige Aktienauswahl von hochqualifizierten und hochbezahlten Wall-Street-Brokern – oder sogar besser. Der Zufall ist also genauso erfolgreich oder auch wenig erfolgreich wie Finanzredakteure, Börsenbroker oder eben der Anleger von nebenan. Ich mag Zufälle so gerne, dass ich ihnen letztes Jahr sogar einen ganzen Artikel in „Schmidts Tagebuch“ gewidmet habe. Bei der Geldanlage würde ich persönlich mich aber nicht auf den Zufall verlassen, wenn es Alternativen gäbe – und die gibt es definitiv. Mit einem breit gestreuten Portfolio ernten Sie systematisch die Rendite-Chancen an den weltweiten Aktienmärkten und reduzieren die Verlustrisiken auf ein Minimum. Wenn Sie Ihre Rendite also nicht dem Zufall überlassen wollen, dann investieren Sie lieber systematisch in den gesamten Markt. Dann sind Sie mit Sicherheit erfolgreicher als der Zufall.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion