Wenn Sie hier öfter reinlesen, wissen Sie: Ich habe ein Anliegen, welches mir wirklich wichtig ist. Es ist für mich kein leeres Lippenbekenntnis, sondern eine echte Herzensangelegenheit: Ich möchte, dass viel mehr Menschen in Deutschland mehr aus ihrem Geld machen, unabhängig davon, ob sie bei der Vermögensbildung noch ganz am Anfang stehen oder schon weit vorangekommen sind. Entscheidend ist dabei, auf Aktien zu setzen, nicht einfach irgendwie, sondern maximal breit gestreut, rund um den gesamten Globus. Banken suggerieren gern, dass das kompliziert und teuer ist – ist es aber gar nicht. Und es bringt langfristig mehr als jede andere Anlageklasse. Umso bedenklicher finde ich eine aktuelle Statistik des Deutschen Aktieninstitutes (DAI) zum Investitionsverhalten der jüngsten Aktienanlegerinnen und -anleger unter uns. Gemeint sind die 14- bis 39-Jährigen, also vermutlich Ihre Kinder und Enkelkinder, liebe Leserinnen und Leser. Und deshalb habe ich heute eine Bitte: Reden Sie mit Ihren Kindern und Enkelkindern.
Aktien trotz Zinswende weiter gefragt
Doch von vorn: Jedes Jahr berichtet das DAI darüber, wie aktienaffin wir Deutschen sind, sprich, wie viele Menschen ihr Geld in Aktien anlegen. Im weltweiten Vergleich gelten die Bundesbürger oft als Aktienmuffel, obwohl sich gerade in den letzten Jahren ein deutlicher Trend nach oben zeigt. 2023 hatten 12,3 Millionen Menschen[1] hierzulande Geld in Aktien investiert, das sind bei einer Einwohnerzahl von 84 Millionen knapp 15 Prozent. Das klingt erst einmal nicht schlecht, andere Länder wie die Schweiz oder die USA gelten dennoch als deutlich aktienfreudiger.[2]
Erfreulich ist, dass die Zahl der Menschen, die in Aktien investieren, seit 2019 von damals 9,7 Millionen Deutschen deutlich gestiegen ist. Seit 2020 gibt es – mal ein paar mehr, mal ein paar weniger – um die 12,5 Millionen Aktionärinnen und Aktionäre in Deutschland.
Diese Aktienfans unterteilen sich in drei Gruppen:
- diejenigen, die nur Einzelaktien besitzen, das waren 2023 laut DAI 2 Millionen Deutsche.
- diejenigen, die in Einzelaktien und Fonds oder ETFs investieren, das waren zuletzt 2,6 Millionen Menschen.
- diejenigen, die ausschließlich in Fonds oder ETFs investieren – das ist die mit Abstand größte Gruppe mit 7,6 Millionen Aktienfans.
Fonds und ETFs am beliebtesten – sie reduzieren Verlustrisiken
Dass gerade diese letzte Gruppe die größte ist, freut mich persönlich ganz besonders, denn die Verlustrisiken, die mit jeder Aktienanlage verbunden sind, fallen in einem Fonds oder ETF viel geringer aus als bei einer Einzelaktie. Bei einer Einzelaktie laufen Anlegerinnen und Anleger immer Gefahr, im schlechtesten Falle das gesamte investierte Geld oder zumindest sehr große Teile davon zu verlieren. Und das ist bei Weitem kein theoretisches Szenario, sondern das passiert tatsächlich. Denken Sie nur an den Wertverfall der Deutsche-Bank-Aktie, die seit 1998 etwa 90 Prozent an Wert verloren hat (ich hatte erst neulich davon berichtet), oder an die Kursverluste der Telekom-Aktie (die im Jahr 2000 bei etwa 105 Euro notierte und aktuell bei 22 Euro). Wer sein Geld hingegen in Fonds oder ETFs investiert, streut deutlich breiter. Das heißt: Wenn ein Unternehmen, das Bestandteil dieses Fonds oder ETFs ist, deutlich an Kurswert verliert, dann fällt das im Gesamtportfolio viel weniger ins Gewicht als bei einem Einzelaktieninvestment. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass so viele Aktienanlegerinnen und -anleger breit gestreut investieren.
Überdurchschnittlich viele junge Aktienanleger wenden sich ab von Aktien
So weit, so gut also. Die Zahl, die mich jedoch sehr beunruhigt, ist die folgende: 2023 haben sich überdurchschnittlich viele junge Menschen von den Börsen abgewendet und ihre Aktienanlagen verkauft. Insgesamt waren es immerhin eine halbe Million Aktienanlegerinnen und -anleger im Alter von 14 bis 39 Jahren, die im letzten Jahr ihre Aktieninvestitionen abgestoßen haben. Das sind im Vergleich zu den anderen Altersgruppen überdurchschnittlich viele, wie die folgende Grafik zeigt. Selbst wenn man die übrigen Altersklassen zusammenrechnet, kommen diese nicht annähernd auf so einen starken Rückgang.
Auch wenn der langfristige Trend bei den jungen Anlegerinnen und Anlegern weiter sehr positiv ist und sich die Aktionärszahlen in dieser Altersgruppe in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben, frage ich mich, warum sich die Zahl in 2023 um eine halbe Million reduziert hat. Es kommen einige Gründe in Frage und letztlich kann ich nur spekulieren, aber ich habe eine Vermutung. Natürlich könnte es sein, dass zufällig so viele junge Aktienanlegerinnen und -anleger die Gewinne der letzten Jahre mitnehmen wollten. Es wäre theoretisch auch denkbar, dass sie die Gelder aus Aktienanlagen abgezogen haben, um sie auf Zinskonten zu übertragen und dort die gestiegenen Zinsen mitnehmen zu können. Vielleicht sind die Aktienfans auch von Einzelaktien auf Fonds oder ETFs umgestiegen, aber dann würden sie in der Statistik weiter berücksichtigt und die Zahlen würden sich nicht reduzieren.
Erwartungshaltung steht Aktienanlagen im Weg
Vielmehr glaube ich, dass Aktien oft gekauft werden, weil mit ihnen die Erwartungshaltung verbunden ist, ohne großes Zutun über Nacht zu märchenhaftem Reichtum zu gelangen. Die wenigsten Anlegerinnen und Anleger eröffnen einen Sparplan (der ja tendenziell eher eine langfristige Natur hat) auf Einzelaktien, vielmehr werden Einzelwerte gekauft, weil man auf schelle Zugewinne spekuliert. Das hängt nicht nur, aber auch mit dem großen Angebot entsprechender Trading-Apps und deren Marketingauftreten zusammen. Dieser schnelle Zugewinn ist dann 2023 nicht eingetreten, obwohl 2023 an sich ja ein sehr gutes Börsenjahr war. Sie haben also so „gezockt“, dass sie selbst in so einem Jahr vermutlich erfolglos waren und aufgehört haben. Vielleicht spielten aber auch noch die schlechten Ergebnisse aus 2022 eine Rolle, so dass viele hinten lagen und ausgestiegen sind, als sie wieder bei plus/minus null waren. In dem Falle fehlt es an Durchhaltevermögen oder an Nerven. So oder so hat eine halbe Million junger Menschen den Börsen den Rücken gekehrt, was sehr schade ist und sich vielleicht hätte vermeiden lassen, wenn, statt auf Einzeltitel zu spekulieren, auf ein breit gestreutes Investment gesetzt worden wäre.
Ich kann deshalb nur dazu ermutigen, im Familien- und Freundeskreis offen über das Thema Geldanlage zu sprechen. Großeltern oder Eltern, die über mehr Lebens- und Anlageerfahrung verfügen und die mit einer langfristigen strategischen Aktienanlage gute Erfahrungen gemacht haben, dürfen dieses Wissen gerne mit den nachkommenden Generationen teilen. Aktien sind nicht zum Traden da, Anlegerinnen und Anleger sollten nicht nach einem schlechten Börsenjahr wie 2022 übereilt das Handtuch werfen und bei steigenden Kursen, wie wir sie dieser Tage erleben, wieder einsteigen in die Märkte. Besser ist es, strategisch und langfristig investiert zu sein, maximal breit gestreut – das ist nicht nur für die Performance besser, sondern auch für die Nerven. Sagen Sie das gerne weiter, liebe Leserinnen und Leser, Ihre Kinder und Enkel werden es Ihnen danken.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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[1] Aktionärszahlen DAI 2023 - Deutsches Aktienistitut
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