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Weitergeben oder verprassen? So (ver)erbt Deutschland

Karl Matthäus Schmidt
,
CEO und Gründer der Quirin Privatbank AG
6
Minuten

Zahnarztbesuch, Steuererklärung, Vorsorgeuntersuchungen – es gibt einige Themen, die wir gerne aufschieben, mich eingeschlossen. Zur Reihe unliebsamer Verpflichtungen, vor denen wir uns gerne drücken, gehören beispielsweise Finanzthemen, so auch das Erben und Vererben. Und das ist ja auch irgendwie nachvollziehbar, denn – seien wir mal ehrlich – wer beschäftigt sich schon gerne mit der eigenen Endlichkeit? Wie ist das bei Ihnen, denken Sie auch „Darum kümmere ich mich später, das hat noch Zeit!“? Dann sind Sie in guter Gesellschaft – das zeigt eine aktuelle Studie rund um das Erben und Vererben.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bundesweite Befragung der Quirin Privatbank zum Thema Erben und Vererben zeigt Handlungsbedarf.
  • Die Deutschen erben immer mehr – und vererben auch immer mehr.
  • Auch wenn die vererbten Vermögen steigen, wollen immer weniger Menschen etwas vererben.
  • 55 % der Bundesbürger geben an, sich gar nicht oder nur wenig mit Fragen rund um das Thema Erben und Vererben auszukennen.  
  • Entsprechend schlecht steht es auch um die Vorsorge – 71 % der Deutschen haben kein Testament.

Diese haben wir im Sommer von der puls Marktforschung GmbH erheben lassen, dabei wurden 3.500 Deutsche repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bundesland befragt. Wir wollten wissen, ob, wann und wie viel die Deutschen im Schnitt so erben, wie gut sie sich mit dem Thema auskennen und ob sie diesbezüglich vorbereitet sind. 2017 haben wir schon einmal eine ähnliche Erhebung durchgeführt, im Vergleich zeigen sich einige ganz interessante Entwicklungen. Diese und die wichtigsten Ergebnisse möchte ich heute gerne mit Ihnen teilen, unter anderem weil ich Sie ermutigen möchte, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Die Deutschen erben immer mehr

Spannend war aus meiner Sicht vor allem, dass die Deutschen immer mehr erben, aber auch immer mehr selbst vererben wollen. So gibt fast jeder dritte Befragte an, schon einmal 100.000 Euro oder mehr geerbt zu haben. 2017 waren es nur 16 %. Dabei gibt es jedoch große regionale Unterschiede. Auch 35 Jahre nach dem Mauerfall lässt sich anhand der Erbschaftshöhe erkennen, welche Bundesländer in das Gebiet der ehemaligen DDR fallen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Frage: Was planen Sie selbst einmal zu vererben? Jeder Dritte sagt hier, dass er oder sie später 250.000 Euro oder mehr vererben will. 2017 hat das nur jeder Fünfte gesagt. Das heißt, es werden tendenziell immer höhere Vermögenswerte an die eigenen Lieben weitergegeben.

Die Bereitschaft, etwas zu vererben, ist gesunken

Gleichzeitig wollen immer weniger Menschen später etwas vererben. 2007 gab noch knapp jeder Zweite an, später etwas vererben zu wollen, heute ist es nur noch jeder Dritte. Wenn Sie mich jetzt fragen, warum das so ist, kann ich nur spekulieren. Vielleicht verbrauchen die Menschen heute schlichtweg mehr von ihrem Geld, weil die Lebenshaltungskosten spürbar gestiegen sind. Damit bleibt zwangsläufig weniger für Erbschaften übrig. Oder sie leben bewusster und geben ihr Geld gezielter für sich selbst aus, statt es zu vererben.

Dafür sprechen zumindest weitere Ergebnisse der Studie: So geben 28 % der Befragten an, dass sie ihr Leben genießen wollen, auch wenn dann weniger oder nichts zum Vererben übrigbliebe. Immerhin mehr als jeder Vierte denkt also zuerst an sich und dann an seine Nächsten. Und ehrlich gesagt finde ich das richtig gut, gönnen Sie sich etwas, reisen Sie, tun Sie, was Sie glücklich macht. Realisieren Sie persönliche Wünsche. Das ist wichtig. Nicht von ungefähr ist die Ermittlung von Zielen und Wünschen unserer Kundinnen und Kunden der rote Faden in unserer Beratung. 62 % der Befragten leben hingegen einfach ganz normal, und was übrigbleibt, wird vererbt.

Häufig vererbt: Bargeld und Immobilien

Am häufigsten gehen Bargeld und Bankguthaben (75 %) an die Erben, was naheliegend ist, weil jeder von uns über ein Girokonto verfügt, wo mehr oder minder viel Bargeld geparkt ist. Nicht jeder hat hingegen eine Immobilie, dennoch hat immerhin schon jeder zweite Befragte mal ein Grundstück, eine Wohnung oder ein Haus geerbt.

Bei dem, was geplant ist, selbst mal zu vererben, sieht es ähnlich aus: Auch hier landen Bargeld (75 %) und Immobilien (65 %) auf den ersten beiden Plätzen, Platz 3 haben im Gegensatz zur 2017er-Befragung die Wertpapiere eingenommen – sie sollen zukünftig fast doppelt so oft (37 %) vererbt werden wie bisher (19 %). Ich lese daraus auch: Anlegerinnen und Anleger können nur dann häufiger Wertpapiere vererben, wenn sie mehr Wertpapiere besitzen – und das ist ein sehr erfreulicher Trend im Land der Aktienmuffel, auch wenn ich hier immer noch viel Luft nach oben sehe.

Erbschaftssteuer wird als ungerecht empfunden

Über die geltenden Erbschaftsfreibeträge hinaus fällt bei Erbschaften eine Steuer an. Für nahe Familienangehörige sind diese Freibeträge recht üppig, ist man aber beispielsweise nicht verheiratet, betragen sie nur 20.000 Euro. Unabhängig davon, ob sie selbst schon einmal Erbschaftssteuer zahlen mussten oder nicht, finden zwei von drei Deutschen die Erbschaftssteuer ungerecht. Was mich erstaunt hat: Menschen mit geringem Einkommen finden sie am ungerechtesten. Ich hätte eher gedacht, dass gerade Menschen, die wenig Einkommen haben, sich eine stärkere Besteuerung von großen Vermögen – beispielsweise bei Erbschaften – wünschen.

Große Unwissenheit, mangelnde Vorbereitung

Freibeträge, Steuersätze, Pflichtteil, Enterbung, gesetzliche Erbfolge – es gibt jede Menge wichtige Informationen rund um das Thema Erbschaft, unabhängig davon, ob man selbst vererben will oder bald erben wird. Doch das Wissen der Deutschen ist hier noch deutlich ausbaubar. So geben 55 % an, dass sie sich wenig oder gar nicht gut auskennen. Sollten Sie dazugehören, liebe Leserinnen und liebe Leser, dann kommen Sie gerne auf uns zu. Unsere Beraterinnen und Berater stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, wenn Sie Ihre Finanzen für später planen wollen oder wenn Sie geerbtes Vermögen anlegen möchten. Wir können Ihnen auch Expertinnen und Experten aus unserem Netzwerk empfehlen, falls Sie rechtlichen Rat benötigen.

Drei von vier Deutschen haben kein Testament

Am meisten überrascht hat mich die Tatsache, dass fast drei Viertel der Deutschen kein Testament haben. Die Gründe reichen von „Für mich passt die gesetzliche Erbfolge“ (23 %), bis hin zu „Ich bin noch zu jung“ (27 %) und andere (28 %) gehen davon aus, dass sie nichts zu vererben haben. 24 % sagen, sie haben schlicht und ergreifend noch nicht darüber nachgedacht. Das ist vor allem deswegen interessant, weil jeder Zweite (51 %) Fälle kennt, in denen es wegen eines Erbes zu Zerwürfnissen kam. Dabei lässt sich genau das vermeiden – machen Sie ein Testament, regeln Sie Ihre Vermögensweitergabe so, wie es in Ihrem Sinne ist, und lassen Sie Ihr Geld vor allem so lange wie möglich für sich arbeiten.

Viele Menschen beschäftigen sich erst beim Tod eines Angehörigen oder bei einer schweren Krankheit mit der Weitergabe ihres Vermögens und ihrer Wertgegenstände. Dabei bringt das frühe Auseinandersetzen mit dem Thema gleich mehrere Vorteile: Mit einer gewissen zeitlichen Distanz fallen derartige finanzielle Entscheidungen vielleicht etwas leichter. Zudem ist das eigene Gewissen erleichtert, weil ein unliebsames Thema erledigt ist. Und zu guter Letzt erleben Sie – wenn Sie Ihr Vermögen (zum Teil) schon zu Lebzeiten weitergeben – hoffentlich die Freude bei den Beschenkten mit. Vielleicht macht das Erben und Vererben dann auch etwas mehr Spaß als der Zahnarztbesuch oder die Steuererklärung.

Melden Sie sich zu unserem Event an

Wenn Sie Fragen rund um das Thema Nachlass gestalten haben, dann seien Sie gerne am 21. November 2024 dabei – bei unserer Veranstaltung „Vermögen sichern – Nachlassregelung optimal gestalten“. Anmelden können Sie sich hier.

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Über den Autor
Karl Matthäus Schmidt

Karl Matthäus Schmidt ist Gründer und CEO der Quirin Privatbank. Er ist Banker in sechster Generation und revolutionierte bislang dreimal den deutschen Bankenmarkt. Mit 25 Jahren gründete er den ersten Onlinebroker Deutschlands, Cortal Consors, den er nach dem Börsengang an eine französische Großbank verkaufte. 2006 brachte er Deutschlands erste unabhängig beratende Bank, die heutige Quirin Privatbank, auf den Markt. Sie verzichtet auf die Annahme von Provisionen und kann Anlegerinnen und Anleger deshalb unabhängig beraten. 2013 gründete Schmidt den ersten Robo-Advisor Deutschlands, quirion, um allen Menschen einen Zugang zu einer guten und günstigen Geldanlage zu ermöglichen. Seine Vision ist es, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Als Vorstand verantwortet er unter anderem die Bereiche Privatkundengeschäft und Anlagemanagement, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der quirion AG. Der gebürtige Franke ist verheiratet, Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Wahlheimat Berlin und Brandenburg.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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