Mairead McGuinness lässt derzeit die Provisionsindustrie zittern. Anfang Mai gibt die EU-Kommissarin bekannt, wie ein mögliches EU-weites Provisionsverbot konkret aussehen könnte. Jene Branchenvertreter, die am abhängigsten von Provisionseinnahmen sind – Banken und Versicherer – laufen derzeit entsprechend heftig Sturm und mobilisieren alle Kräfte, um dieses Verbot um jeden Preis zu verhindern. Die entsprechenden Lobbyanstrengungen sind enorm – und leider an vielen Stellen erfolgreich. Erst neulich hatte ich wieder ein Schlüsselerlebnis diesbezüglich.
Als Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank komme ich regelmäßig mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Branchen zusammen, unter anderem auch aus der Finanzindustrie. Und was ich da in Diskussionen manchmal zu Ohren bekomme, lässt mich fast verzweifeln. Bei einer dieser Veranstaltungen echauffierte sich neulich ein Vertreter des GDV darüber, dass – würden Provisionen in Deutschland verboten – man 500 Euro für eine Beratung zahlen müsse und das könne doch nicht angehen, wer könne sich das denn leisten? Ein CEO einer großen Versicherung war zudem davon überzeugt, dass Honorare – die Alternative, die im Falle eines Provisionsverbotes eingeführt würde – pro Stunde zu zahlen seien. Dieser CEO ist aus allen Wolken gefallen, als ich klargestellt habe, dass Honorare in der Regel prozentual per annum und nicht pro Beratungsstunde abgerechnet werden. Auch der GDV-Kollege bedient das Stunden-Argument ganz gezielt.
Was mich in Momenten wie diesen besonders beschäftigt: Die Annahme, dass Honorarberatung stündlich zu bezahlen sei, ist nach wie vor enorm weit verbreitet, selbst in Kreisen, von denen man meinen würde, sie müssten es besser wissen. Dahinter steckt System, das ist kein Zufall, denn die Provisionsindustrie selbst nährt diesen Irrglauben stetig fleißig. Und das verfängt vor allem bei der breiten Maße der Anlegerinnen und Anleger.
Provisionslobby verunsichert die Deutschen
Das zeigen die Ergebnisse einer bundesweit repräsentativen Befragung, die die puls Marktforschung im Februar für uns durchgeführt hat.[1] Wir wollten wissen, was die Deutschen über die Kosten der Bankberatung allgemein, aber insbesondere auch über ihre eigene Beratung, über Provisionen und Honorare wissen. Dabei ergab sich ein überaus paradoxes und zum Teil widersprüchliches Bild, welches das Ergebnis der jahrelangen Lobbyarbeit der Provisionsindustrie ist. Hier nur eine Handvoll Beispiele, die dieses ambivalente Bild belegen:
Das ist ein Arbeitsauftrag
Die Frage ist: Was machen wir jetzt mit diesen Ergebnissen? Den Kopf in den Sand stecken und weiter wie bisher, weil ja beispielsweise 40 % der Deutschen keine Beratung mehr in Anspruch nehmen würden, wenn ein Provisionsverbot käme? Nein, für mich ist das ein klarer Arbeitsauftrag – an uns, aber vor allem auch an Politiker und Verbraucherschützer, hier einfach noch viel intensivere und bessere Aufklärungsarbeit zu leisten und die absichtlich gestreuten Fehlinformationen (z. B. „Honorare müssten immer pro Stunde gezahlt werden“) so zu entkräften.
Wir haben nichts von einem Provisionsverbot, setzen uns aber trotzdem dafür ein
Nun könnte man uns vorwerfen – und das tun ein paar spitzfindige Provisionsfans auch ab und an –, dass wir als provisionsfrei beratende Bank ein Provisionsverbot wahrscheinlich einzig und allein deshalb fordern, um es zu unseren eigenen Gunsten zu nutzen (siehe Twitter-Screenshot).
Die Wahrheit ist – und das wollen die Provisionsfans dann wiederum gar nicht gern hören: Genau das Gegenteil ist richtig. Wenn Provisionen in Deutschland verboten würden, verlieren wir als bisher einzige provisionsfrei beratende Bank unser Alleinstellungsmerkmal. Es wird für uns dann ungleich schwerer, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen, weil dann alle tun, was wir seit 2006 freiwillig tun: unabhängig gegen Honorar beraten.
Provisionsverbot führt zu signifikant mehr Vermögen
Just als ich diese Gedanken zu Papier gebracht habe, wurde eine weitere hochgradig interessante Studie der Universität Regensburg veröffentlicht. Das Team um Prof. Dr. Steffen Sebastian untersuchte die Auswirkungen des Provisionsverbotes in Ländern, wo Provisionen bereits verboten sind, in Dänemark, Finnland, Großbritannien, Norwegen sowie Australien und Neuseeland. Die dortigen Provisionsverbote wurden zwischen 2005 (Finnland) und 2019 (Australien) eingeführt. Die Quintessenz: Das Vermögen der Haushalte in diesen Ländern mit Provisionsverbot wuchs signifikant stärker als in Ländern ohne Provisionsverbot. „Das Forscherteam bemisst den um länderspezifische Effekte bereinigten Renditeunterschied auf 1,7 Prozent p. a. und appelliert an die EU-Kommission, ein allgemeines Verbot von Provisionen bei der Anlageberatung umzusetzen.“[2]
Zack, das hat gesessen. Diese Studienergebnisse kommen genau zur richtigen Zeit und könnten das Zünglein an der Waage sein. 1,7 Prozent pro Jahr, das muss man sich einmal überlegen, was da über Anlagezeiträume von zehn oder zwanzig Jahren zusammenkommt, das ist enorm.
Unabhängige Beratung funktioniert auch in Deutschland
Dass die unabhängige Beratung gegen Honorar (als günstigere und bessere, weil nicht interessengeleitete Beratung) nicht nur auf dem Papier funktioniert, zeigt also die Studie der Uni Regensburg – und in Deutschland zeigen wir es. 2022 haben wir mit einem Gewinn von 8 Millionen Euro das zehnte Mal in Folge in unserer vergleichsweise jungen Unternehmensgeschichte schwarze Zahlen geschrieben. Und ich habe noch die Unkenrufe all der provisionsfinanzierten Banker im Ohr, dass die Honorarberatung einfach nicht funktionieren würde in Deutschland. Irrtum!
Ein Bankvorstand meinte einmal zu mir, er würde auch gern auf Honorare umstellen, er verdiene aber mit den Provisionen einfach viel zu gut. Ja, das ist richtig, auch wir könnten mit einem provisionsfinanzierten Geschäftsmodell mehr Geld verdienen. Tun wir aber nicht, das wollen wir einfach nicht – wir wollen mit unseren Kund:innen gemeinsam wachsen, nicht zu ihren Lasten.
Deshalb, liebe Mairead McGuinness, ignorieren Sie das Leidklagen der Provisionsindustrie und verbieten Sie Provisionen ein für alle Mal – für einen besseren Vermögensaufbau, nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
Wenn Sie wissen wollen, wie auch Sie von einer provisionsfreien Beratung profitieren können, dann kommen Sie gern an einem unserer 15 Standorte vorbei – wir freuen uns auf Sie und Ihre Fragen. Jetzt Termin vereinbaren.
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