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Wirtschaft auf den Wahlzettel!

Karl Matthäus Schmidt
,
CEO und Gründer der Quirin Privatbank AG
7
Minuten

Sie hat es schon wieder getan: Die deutsche Wirtschaft ist geschrumpft, laut Statistischem Bundesamt zuletzt um 0,2 Prozent. Was mich wirklich erstaunt: Es gibt kaum echte Debatten darüber, wie wir das schnellstmöglich ändern und auf den Wachstumspfad zurückkehren können. Ich bin mehr als verwundert, wie wenig Raum das Thema beispielsweise beim TV-Duell Scholz-Merz eingenommen hat, gerade einmal fünf Minuten. Fünf Minuten, das ist nichts!

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wirtschaftspolitische Themen kommen im Wahlkampf viel zu kurz
  • Ökonomen fordern umfassende Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie Steuersenkungen und gezielte Zuwanderung
  • Einige Parteien haben gute Ideen, der richtig umfassende „Wumms“ fehlt jedoch
  • Wirtschaftspolitik ist entscheidend für Wachstum und Wohlstand des Landes – und für politische Stabilität

Dabei sollte die Wirtschaft dringend wieder ins Zentrum des politischen Handelns gerückt werden. Warum? Weil eine gesunde Wirtschaft nicht nur für Wachstum und Wohlstand in breiten Schichten der Bevölkerung sorgt, sondern auch für politische Stabilität.

  • Wirtschaftswachstum führt zu mehr Arbeitsplätzen und steigenden Einkommen. Daher auch der beliebte wirtschaftspolitische Ausspruch „Wachstum ist die beste Sozialpolitik“.
  • Ein gesundes Wirtschaftswachstum bedeutet zudem steigende staatliche Einnahmen, womit wiederum mehr Geld für Investitionen zur Verfügung steht – also der Grundstein für das Wachstum der Zukunft gelegt werden kann.
  • Wirtschaftliche Unsicherheiten hingegen fördern den Zulauf zu politischen Rändern. So zeigt eine Studie des ifo Instituts (2020), dass steigende Arbeitslosigkeit mit höheren Wahlergebnissen für rechte und linke Parteien korreliert.

Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist also nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch gesellschaftlich. Nicht zuletzt, weil sie politische Ränder, die derzeit eine deutliche Renaissance erleben, spürbar kleiner werden lässt. Denn Menschen, denen es gut geht, sind spürbar weniger empfänglich für die Angst schürenden Botschaften links- und rechtsradikaler Parteien.

Doch statt jetzt ernsthaft zu diskutieren, was es für eine wieder wachsende Wirtschaft braucht, sprechen wir seit Monaten nur über ein Thema: Migration. Ja, eine vernünftige Migrations- und Integrationspolitik ist wichtig, aber sie ist bei Weitem nicht alles, woran wir arbeiten müssen. Wir haben so drängende wirtschaftliche Herausforderungen vor der Brust, dass wir sie nicht als nebensächlich abtun können. Auch führende Ökonomen wie Clemens Fuest (ifo Institut München) und Marcel Fratzscher (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin) betonen das immer wieder – sie fordern unter anderem:

  • erhebliche Investitionen in digitale Infrastruktur, Bildung, Gesundheit, erneuerbare Energien und emissionsarmen Verkehr bei gleichzeitiger Reduzierung von Subventionen und Sozialtransfers
  • Reduzierung der Steuerlast für Unternehmen und Abbau der Bürokratie, dazu gehören Vereinfachung des Steuersystems und steuerliche Entlastung von Arbeit und Investitionen
  • gezielte Zuwanderungspolitik und flexible Arbeitsmarktregelungen, um den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken, z. B. durch längere Arbeitszeiten und verstärkte Zuwanderung

Doch was sagen die Wahlprogramme der größten Parteien in Sachen Wirtschaftspolitik? Ich habe mir angesehen, was die größten sechs Parteien in Deutschland diesbezüglich planen, und möchte das gerne mit Ihnen teilen. 1

1. Die CDU/CSU plant Steuersenkungen für Unternehmen auf maximal 25 % und Bürokratieabbau, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und Investitionen zu fördern. Zudem strebt die Partei günstigere Energiepreise an, um die Belastung für Unternehmen und Verbraucher zu reduzieren. Eine neue “Grundsicherung“ soll das bisherige Bürgergeld ersetzen und Anreize für Beschäftigung schaffen.

2. Die SPD setzt auf einen 100-Milliarden-Euro-Deutschlandfonds zur Modernisierung der Infrastruktur (Digitalisierung, Ausbau Schiene, Investitionen in Bildung) und will Steueranreize für Investitionen („Made in Germany“-Prämie) bieten. Steuerentlastungen soll es auch für niedrige und mittlere Einkommen geben, das kurbelt den Konsum an.

3. Das Bündnis 90/ Die Grünen: Durch Investitionen in erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien soll die Wirtschaft klimaneutral gestaltet und dabei neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch in Bildung und Forschung soll verstärkt investiert werden. Die Bürokratie soll in 4 Jahren um 25 Prozent reduziert werden.  

4. Die FDP will Steuersenkungen für Bürger und Unternehmen sowie weniger Regulierungen, um die Wirtschaft zu stimulieren. Der Staat soll verschlankt und Unternehmen so entlastet werden. Zudem sollen optimale Rahmenbedingungen für Unternehmen geschaffen werden, dadurch entsteht wirtschaftliches Wachstum und damit Arbeitsplätze.

5. Die AfD steht für die Rückkehr zur Kernenergie, sie will Ausgaben für den Klimaschutz reduzieren und die Schuldenbremse einhalten. Die Bürokratie soll abgebaut und Steuern für kleine und mittlere Unternehmen gesenkt werden. Zudem plant die AfD, Deutschland aus der Eurozone zu führen und zur D-Mark zurückzukehren.

6. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) plant eine Reform der Energiepolitik und öffentliche Investitionen, um die Deindustrialisierung zu stoppen. Privatisierte Unternehmen sollen in die staatliche Hand zurückgeführt werden. Außerdem spricht sich das BSW gegen Freihandelsabkommen aus, die seiner Ansicht nach nationale Interessen untergraben.

Summa summarum finden sich zwar richtige Ansätze und gute Ideen in den Wahlprogrammen, der richtig große „Wumms“ in Sachen Wirtschaftspolitik, wie Olaf Scholz es formulieren würde, fehlt mir allerdings. Hinzu kommt: Das eine ist die Planung, das andere die tatsächliche Umsetzung, sobald eine neue Regierung gewählt ist. Die Umsetzung hängt wiederum auch davon ab, welche Koalition nach der Bundestagswahl zustande kommen wird. Denn eine Mehrheit wird aller Voraussicht nach wohl keine der zur Wahl stehenden Parteien erzielen können.

Problematisch ist auch, dass jede Partei etwas anderes unter einer „guten Wirtschaftspolitik“ versteht. Fakt ist – und das unterstreichen auch Fuest und Fratzscher immer wieder –, dass wir nicht mehr Regulation und staatliche Vorgaben brauchen, sondern weniger.

Umso absurder erscheinen mir Eingriffe in die freie Marktwirtschaft wie die Rückführung privater Unternehmen in die staatliche Hand oder die Kritik an Freihandelsabkommen, wie beispielsweise das BSW sie fordert. Beides hätte verheerende Folgen und ist absolut undenkbar aus meiner Sicht.  

Schlecht wäre aus meiner Sicht auch der Ausstieg aus dem Euro, wie die AfD ihn plant. Man muss sich ja nur anschauen, welch katastrophale wirtschaftliche Folgen der Brexit für die Menschen in Großbritannien hatte und hat. Vor allem mit Blick auf die aktuellen weltpolitischen Verschiebungen, den drohenden Handelskrieg mit den USA etc., ist eine starke europäische Währung wichtiger denn je.

Fazit:

Es gibt viel zu tun – wichtig ist, dass die politischen Weichen vernünftig gestellt werden und die Wirtschaft wieder ins Zentrum des politischen Handelns gestellt wird. Ich bin kein Politiker, aber ich weiß, wie Wirtschaft funktioniert. Und eines ist klar: Was es definitiv nicht braucht, sind noch mehr Regulierung und Vorgaben, wer wie wann wo was zu tun hat. Stattdessen brauchen wir dringend wachstumsfördernde Rahmenbedingungen, die die Märkte beflügeln: weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung und mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Halten wir es also wie Clemens Fuest – er betont: „Ich denke, der Start einer neuen Regierung ist immer eine Chance. Wichtig ist allerdings, dass der neuen Bundesregierung ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel gelingt.“ 2  In diesem Sinne: Nutzen wir die Chance für einen Kurswechsel – für Wachstum, Wohlstand und politische Stabilität.

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1 Die Wahlprogramme finden sich auf den Seiten der jeweiligen Parteien. Auf die einzelne Nennung der Quellen wird deshalb verzichtet.

2 Ifo-Chef Fuest: "Start einer neuen Regierung ist immer eine Chance" | tagesschau.de

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Über den Autor
Karl Matthäus Schmidt

Karl Matthäus Schmidt ist Gründer und CEO der Quirin Privatbank. Er ist Banker in sechster Generation und revolutionierte bislang dreimal den deutschen Bankenmarkt. Mit 25 Jahren gründete er den ersten Onlinebroker Deutschlands, Cortal Consors, den er nach dem Börsengang an eine französische Großbank verkaufte. 2006 brachte er Deutschlands erste unabhängig beratende Bank, die heutige Quirin Privatbank, auf den Markt. Sie verzichtet auf die Annahme von Provisionen und kann Anlegerinnen und Anleger deshalb unabhängig beraten. 2013 gründete Schmidt den ersten Robo-Advisor Deutschlands, quirion, um allen Menschen einen Zugang zu einer guten und günstigen Geldanlage zu ermöglichen. Seine Vision ist es, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Als Vorstand verantwortet er unter anderem die Bereiche Privatkundengeschäft und Anlagemanagement, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der quirion AG. Der gebürtige Franke ist verheiratet, Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Wahlheimat Berlin und Brandenburg.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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