Heute, kurz vor 10 Uhr, langsam kehrt Ruhe ein im Saal, alle sind bereit, viele erwartungsvolle Augen schauen mich an – und dann geht es los, im Berliner Ludwig Erhard Haus: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Aktionärinnen und Aktionäre, ich freue mich …“. Und auch wenn ich das schon einige Male in meiner beruflichen Laufbahn erleben durfte, ist es doch immer wieder etwas Besonderes, das Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres auf der alljährlichen Hauptversammlung vorzustellen.
Genau das haben mein Vorstandskollege Johannes Eismann und ich heute getan. Nach drei coronabedingt virtuellen Hauptversammlungen war das die erste Präsenz-Veranstaltung seit 2019 – und es war ein gutes Gefühl, den Aktionärinnen und Aktionären endlich wieder persönlich gegenüberzusitzen.
Gut begann auch das Geschäftsjahr 2022, über das wir heute berichtet haben. Der Januar und Februar verliefen überaus positiv, das Rekord-Börsenjahr 2021 schien sich fortzusetzen. Die Börsen kannten nur eine Richtung: nach oben, die Stimmung bei Investoren und Anlegern war gut. Das änderte sich am 24. Februar 2022 leider schlagartig. Mit Putins Angriff auf die Ukraine war plötzlich ein bis dato unvorstellbarer Krieg ausgebrochen, nur wenige Flugstunden von Berlin entfernt.
Die Weltwirtschaft wurde durch diesen Angriffskrieg nach der Corona-Pandemie erneut in ihren Grundfesten erschüttert. Der Rest des Jahres stand mehr oder minder unter dem Einfluss der direkten und indirekten Kriegsfolgen, denen sich in einer Welt internationaler Handelsbeziehungen und -verflechtungen kaum jemand entziehen konnte und kann.
Entsprechend volatil und unruhig ging es an den globalen Aktienmärkten zu – und zwar über den gesamten Jahresverlauf hinweg. Die Börsen schlossen das Jahr mit einem kräftigen Minus, so betrug der Kursrückgang im Vergleich zum Jahresanfang im DAX -12 Prozent, im MSCI World lag er in US-Dollar sogar bei -19 Prozent, um nur zwei Beispiele herauszugreifen. Und auch der Maximum Draw Down, also der höchste Verlust vom jeweiligen Höchststand eines Indizes, unterstreicht, wie volatil 2022 aus Anlegersicht war.
Doch nicht nur an den weltweiten Aktienmärkten ging es heiß her infolge
sondern auch Anleihen, die in unseren Kunden-Portfolios als Sicherheitspuffer fungieren, standen 2022 enorm unter Druck. So gaben die zehnjährigen deutschen Bundesanleihen im Jahresverlauf beispielsweise um insgesamt 22 Prozent nach – so viel wie seit Jahrzehnten nicht mehr und deutlich mehr als die meisten Aktienmärkte. Dieser nahezu zeitgleiche Crash an den Aktien- und an den Anleihemärkten hat das Jahr aus Anlegersicht zu einem der herausforderndsten in den letzten 40 Jahren gemacht.
Stabiles Ergebnis in instabilen Zeiten
Alles in allem war 2022 damit ein außerordentlich schwieriges Jahr – umso erfreulicher ist es, dass wir es trotzdem mit einem Gewinn von 8 Millionen Euro abschließen konnten. Das liegt auch daran, dass wir alle gemeinsam – unsere Kundinnen und Kunden, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und letztlich auch wir als Vorstand – ruhig und optimistisch geblieben sind, auch wenn die öffentliche und mediale Aufregung manchmal schwer auszuhalten und auszublenden war. Vielen Dank an dieser Stelle an alle, die dazu beigetragen haben, ein weiteres erfolgreiches Geschäftsjahr in der Geschichte der Quirin Privatbank zu gestalten!
Aktionäre angemessen beteiligen
Die Hälfte des erzielten Gewinnes werden wir in die Gewinnrücklage fließen lassen, mit der anderen Hälfte wollen wir die Aktionärinnen und Aktionäre der Quirin Privatbank angemessen an unserem Unternehmenserfolg beteiligen. Die Dividende wird 9 Cent je Aktie betragen.
2022 hat es geknirscht
Wenn die Rahmenbedingungen gut sind – wie 2021 –, ist es nicht schwer, unternehmerisch erfolgreich zu sein. 2021 haben wir mit 12,1 Millionen Euro ein echtes Rekordergebnis erzielt. Wie stabil ein Geschäftsmodell ist, wie gut die Anlagestrategien tragen, wie wichtig das enge, persönliche Begleiten unserer Kundinnen und Kunden ist, das zeigt sich erst, wenn es knirscht an den Märkten. Und geknirscht hat es 2022 ordentlich.
Gemeinsam stark
Umso mehr freuen wir uns, freue ich mich, dass wir dieses schwierige Jahr erfolgreich hinter uns gebracht haben und trotz aller Widrigkeiten weiter gewachsen sind. Ende 2022 durften wir zusammen mit quirion rund 6,3 Milliarden Euro von etwa 71.000 Kunden betreuen. Im laufenden Jahr konnten wir diesen Wachstumskurs weiter fortsetzen und haben einen wichtigen Meilenstein genommen. Vor dem Komma steht jetzt eine Sieben, wir verwalten per Ende Mai mittlerweile mehr als 7 Milliarden Euro von knapp 78.000 Kunden.
Unsere Kundinnen und Kunden vertrauen uns stetig neue Gelder an, so konnten wir im laufenden Jahr zusammen mit unserer Tochter quirion bereits 550 Millionen Euro an neuen Kundengeldern verbuchen. Das ist nicht nur, aber auch auf unser attraktives Zinsangebot zurückzuführen, mit dem wir unsere Kundinnen und Kunden fair an der Zinswende beteiligen. Mit einer Guthabenverzinsung von derzeit 2,25 Prozent für Bestand- und 2,75 Prozent für Neugelder gehören wir zu den besten Anbietern im Markt.
Daher landet ein Großteil der neuen Gelder derzeit überwiegend auf den Zinskonten, bezüglich eines Investments am Kapitalmarkt sind viele Anlegerinnen und Anleger derzeit noch eher zurückhaltend. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich diese Zurückhaltung wieder legen wird und unsere Kundinnen und Kunden langfristig – zu ihrem eigenen Vorteil – auch neue Gelder wieder verstärkt am Kapitalmarkt investieren. Denn das lohnt sich – trotz aller Turbulenzen – langfristig gesehen immer. So haben beispielsweise Vermögensverwaltungskunden, die 80 Prozent ihres Geldes in Aktien und 20 Prozent in Anleihen investiert hatten, in den letzten zehn Jahren eine Rendite pro Jahr nach allen Kosten von 5,28 Prozent erzielt.
Wir wollen weiter wachsen
Trotz aller Turbulenzen im Jahr 2022 halten wir an unseren gesetzten Zielen fest – und wollen weiter wachsen – für Sie, mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Unsere Ziele haben unverändert Bestand:
Was mir persönlich besonders wichtig ist: Diese Ziele sind Teil von etwas Größerem, von unserer übergeordneten Mission, mit der wir mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegerinnen und Anlegern machen wollen.
Krisenmodus in Dauerschleife mit Zuversicht durchstehen
2022 hat sich an vielen Stellen angefühlt wie Krisenmodus in Dauerschleife. In solchen Zeiten neigen Anlegerinnen und Anleger dazu, Geldanlagen aufzuschieben in der Hoffnung, es kämen wieder bessere Marktphasen. Doch niemand weiß, ob und wann tatsächlich ruhigere Zeiten kommen.
Deshalb lautet unsere Botschaft in turbulenten wie in ruhigen Börsenphasen: „Der beste Einstiegszeitpunkt ist immer jetzt!“ Wichtig ist dabei, durch alle Höhen und Tiefen der Märkte hinweg investiert und zuversichtlich zu bleiben. Keiner von uns, weder Sie noch ich noch unsere Kundinnen und Kunden, weiß, was die Zukunft bringt. Das ist aber kein Novum, sondern war schon immer so. Und schon immer war es besser, breit gestreut in den Markt investiert zu sein, als es nicht zu sein. Und das, liebe Leserinnen und Leser, wird auch in Zukunft so sein.
Wichtig ist es mir, heute und hier Danke zu sagen – für Ihre Treue und Ihre Loyalität, liebe Kundinnen und Kunden. Der Sturm um uns herum wird – gefühlt – immer heftiger und vielschichtiger, umso wichtiger ist es, sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Wir haben es miteinander und füreinander schon so weit geschafft, und wir werden es – sofern Sie wollen – noch sehr viel weiter schaffen, gemeinsam, mit Ihnen an unserer Seite. Darauf freue ich mich und sage von Herzen: Danke!
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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