arrow left
Alle News

Vom Regen in die Traufe

Karl Matthäus Schmidt
,
CEO und Gründer der Quirin Privatbank AG
5
Minuten

Wenn Menschen über Dinge sprechen, von denen sie wenig oder gar nichts verstehen, und mit diesem Halbwissen sehr viele andere Menschen beeinflussen, dann ist das äußerst problematisch. Im Alltag begegnet uns das recht oft – zunehmend auch im Finanzbereich. Passend dazu habe ich neulich einen aufschlussreichen Artikel gelesen: „Banken sind die besseren Finfluencer“[1]. Übersetzt soll das heißen: Banken wissen über Finanzthemen besser Bescheid als selbsternannte Finanzexperten im Internet, die sogenannten Finfluencer[2].

Das Wichtigste in Kürze

  • Selbsternannte Expert:innen treffen im Netz auf unerfahrene Anleger:innen
  • Problem: Nur jeder dritte Finfluencer gilt als fachkundig
  • Banken haben Informationslücke in den sozialen Medien entstehen lassen
  • Aufklärung und Finanzwissen bleiben unverändert wichtig

Zu diesem Ergebnis kam das Swiss Finance Institute im Rahmen einer aktuellen Studie, bei der über 29.000 Finfluencer[3] hinsichtlich ihrer fachlichen Kompetenz untersucht wurden. Dabei kam heraus, dass nicht einmal ein Drittel von ihnen als fachkundig bewertet werden kann. Problematisch daran ist, dass Finfluencer oft viele, vor allem junge Menschen erreichen, über Social-Media-Kanäle wie TikTok, Instagram oder YouTube. Dass der Großteil der oft selbsternannten Finanzexperten dort offensichtlich gefährliches Halbwissen, falsche Informationen und unpassende Anlagetipps verbreitet, hat mich ehrlich gesagt ganz schön schockiert. Ich hätte nicht gedacht, dass der Anteil der nicht fachkundigen Finfluencer so hoch ist.

Bei den Tipps, die Finfluencer auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen anderen Menschen geben, geht es inhaltlich laut einer Studie der Leipzig Graduate School of Management[4] mehrheitlich um die Analyse von Einzelaktien. Die Themen, die langfristig wirklich wichtig sind und bei denen man am besten schon in jungen Jahren loslegen sollte, der Vermögensaufbau und die Altersvorsorge, machen dagegen jeweils nur zehn Prozent des Contents aus.

Weniger als ein Drittel sind fachkundig

Für die nachkommenden Generationen, also für Ihre Kinder und/oder Enkelkinder, übernehmen die Finfluencer die Rolle des bisherigen klassischen Bankberaters. Doch sie machen einiges besser als der Berater vor Ort: Sie überzeugen neben der oft sehr persönlichen und emotionalen Beziehungsebene mit eigenen Investment-Erfolgen, einfacher Sprache und persönlichen Tipps. Wie das Swiss Finance Institute zeigt, ist die Qualität dabei allerdings oft bescheiden, freundlich formuliert. Die Wahrscheinlichkeit, an einen schlechten Finfluencer zu geraten, ist der Studie zufolge deutlich größer als die, einen guten zu erwischen. Die Schwierigkeit liegt darin, die guten Finfluencer zu erkennen, denn es steht ja niemandem auf der Stirn geschrieben, wie qualitativ hochwertig das ist, was er oder sie im Netz von sich gibt. Falls Sie den Artikel an Ihre Enkelkinder oder an Ihre Kinder weitergeben wollen, haben wir ein paar Tipps zusammengefasst, was einen guten Finfluencer ausmacht.

Finfluencer sind die neuen vermeintlich kostenlos beratenden Banker

Es ist naheliegend und nicht wirklich überraschend, dennoch muss es an dieser Stelle gesagt werden: Viele Finfluencer empfehlen ihren Followern (entschuldigen Sie die Anglizismen, aber oft gibt es kein vernünftiges deutsches Pendant) Produkte, für die sie Provisionen erhalten. Oder sie fungieren einfach nur als Werbegesicht und empfehlen für eine entsprechende Vergütung heute dieses Produkt und morgen jenes. Nach außen ist das nicht immer erkennbar, dabei ist das ein glasklarer Interessenkonflikt: Empfohlen wird das, was am meisten Geld bringt – ob das am Ende zu den finanziellen Zielen und Bedürfnissen des oder der Anlegenden passt, ist mehr als fraglich.

Anlagestrategien zu kopieren ist beliebt und riskant

Um es noch etwas konkreter zu machen: Nicht nur, aber auch unter den Finfluencern florieren Trading-Apps wie NAGA – hier können Anlegerinnen und Anleger dank Copy-Trading die Handelsaktivitäten vermeintlicher Top-Trader kopieren. Das Angebot richtet sich explizit an Kunden ohne Vor- oder Fachwissen, denn kopiert wird ja nur dann, wenn einem selbst die Idee und das Wissen fehlt, wie Geld angelegt werden könnte. Gehandelt wird dort vor allem mit CFDs (Contracts for Difference), das sind Finanzderivate, die es Anlegern ermöglichen, auf die Preisbewegungen von Vermögenswerten zu spekulieren, ohne die Vermögenswerte selbst zu besitzen. Sie sind mit extrem hohen Verlustrisiken verbunden, nach eigenen Angaben von NAGA verlieren 81,53 % der Privatanleger Geld bei eben diesem Handel mit CFDs. Wenn diese riskanten Produkte von Finfluencern empfohlen und von vielen Anlegenden kopiert werden, können Letztere auf ewig verprellt werden.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, grundsätzlich ist es gut, dass Finanzthemen heute auch in sozialen Netzwerken gespielt werden und dass so eine breite Aufmerksamkeit geschaffen wird. Finfluencer erreichen wahnsinnig viele junge Menschen – sie haben damit aber eben auch eine große Verantwortung und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Geraten junge Erwachsene an einen fachkundigen Finfluencer, kann das einen positiven Effekt haben – das Problem ist, dass es zu viele gibt, die nicht fachkundig sind. Der Schaden, der durch falsche oder schlechte Beratung (oder sagen wir mal durch „Finanztipps“, weil genau genommen ist das ja keine Beratung, was da stattfindet) entsteht, geht einzig und allein zu Lasten der Anlegenden.

Banken sind nicht automatisch besser

Die Conclusio, die in „Banken sind die besseren Finfluencer“ gezogen wurde, teile ich dennoch nicht. Der Artikel unterstellt, dass Banken die besseren Inhalte anbieten als Finfluencer – und das würde ich nicht unterschreiben. Banken arbeiten letztlich ähnlich wie (viele) Finfluencer: Sie beraten nicht unabhängig und neutral, sondern verkaufen das an ihre Kundschaft, was am meisten Provisionen bringt, und nehmen dafür sogar in Kauf, ihrer Kundschaft Produkte anzubieten (aktiv gemanagte Fonds), die qualitativ schlechter sind als Produkte, die eben qualitativ besser sind, aber weniger Provisionen bringen (ETFs).

Banken sind nicht von Haus aus die besseren Informationslieferanten, auch nicht in sozialen Medien, zumindest nicht qua ihrer Funktion. Sie haben aber eine Informationslücke entstehen lassen, die jetzt von Finfluencern gefüllt wird, die eben in vielen Fällen nicht kompetent sind.

So, und was machen wir jetzt mit diesen Erkenntnissen? Sowohl das schlechte Abschneiden vieler Finfluencer als auch die Ungeeignetheit der provisionsfinanzierten Banken, die Informationslücke in den sozialen Medien zu schließen, bestätigen mich, weiterzumachen, festzuhalten an unserer Vision, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Und das geht am besten mit Aufklärung und Wissenschaft. Denn eigentlich ist gute Geldanlage ja gar nicht schwer, es gibt nur viel zu viele Leute, die etwas anderes erzählen, um ihre eigenen Vorteile daraus zu ziehen.

Hier nachzulassen, kommt nicht in Frage, denn sonst kämen wir vom Regen in die Traufe, weil die nachkommenden Generationen dann genau dasselbe Problem haben, was alle Kundinnen und Kunden bei provisionsfinanzierten Banken haben: Sie werden vermeintlich kostenlos „beraten“ von Finfluencern, die aber nur empfehlen, wofür sie selbst Provisionen bekommen. Damit hat sich die vermeintlich kostenlose Beratung aus den provisionsfinanzierten Bankfilialen jetzt ins Netz verlagert, die Finfluencer sind häufig die neuen Versicherungsvertreter, die neuen vermeintlich kostenlos beratenden Bankberater, die provisionsorientierten Verkäufer von morgen.  

Deshalb: Augen auf bei der Informationsbeschaffung, ziehen Sie immer eine zweite oder dritte Informationsquelle hinzu. Denn die Wahrscheinlichkeit, im Internet an einen Finanzexperten zu geraten, der nicht fachkundig ist, ist leider sehr hoch. Suchen Sie gerne auch den Dialog mit Freunden und Familie, tauschen Sie sich aus und fragen Sie Ihre Kinder oder Enkelkinder doch gerne mal, welche Tipps sie so aus den sozialen Medien aufgeschnappt und ggf. schon einmal befolgt haben. Und wenn Sie gute Influencer kennen, empfehlen Sie diese gerne weiter, denn sie unterstützen unsere Mission – mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen.

Studie bestellen

Gut Geld anzulegen, ist nicht schwer – und trotzdem gibt es ein paar Stolperfallen. Welche das sind, inwiefern sie Rendite kosten, welche Faktoren für eine erfolgreiche Geldanlage maßgeblich sind und wie Anleger:innen am besten mit Risiken umgehe, das erfahren Sie in unserer kostenlosen Studie „Die Kraft globaler Finanzmärkte effizient nutzen“ – diese können Sie hier bestellen.

Studie bestellen

[1] https://www.bankingclub.de/news/finanzielle-bildung/banken-sind-die-besseren-finfluencer/
[2]
Ein Finfluencer ist eine Abwandlung von Influencer, ein Influencer in Sachen Finance.
[3] Swiss Finance Institute, https://www.sfi.ch/en/publications/n-23-30-finfluencers
[4]
HHL, https://www.mynewsdesk.com/de/hhl-gemeinnutzige-gmbh/pressreleases/finfluencer-studie-forschungsprojekt-gibt-ueberblick-ueber-deutschsprachige-finanz-influencer-3301845

Disclaimer/rechtliche Hinweise

Der Beitrag ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Er enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Erläuterungen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Die Informationen wurden einzig zu Informations- und Marketingzwecken zur Verwendung durch den Empfänger erstellt und können keine individuelle anlage- und anlegergerechte Beratung ersetzen.

Die Informationen stellen keine Anlage- Rechts- oder Steuerberatung, keine Anlageempfehlung und keine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräußerung dar. Die Vervielfältigung und Weiterverbreitung ist nicht erlaubt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne unsere ausdrückliche vorherige schriftliche Genehmigung nachgedruckt oder in ein Informationssystem übertragen oder auf irgendeine Weise gespeichert werden, und zwar weder elektronisch, mechanisch, per Fotokopie noch auf andere Weise.

Über den Autor
Karl Matthäus Schmidt

Karl Matthäus Schmidt ist Gründer und CEO der Quirin Privatbank. Er ist Banker in sechster Generation und revolutionierte bislang dreimal den deutschen Bankenmarkt. Mit 25 Jahren gründete er den ersten Onlinebroker Deutschlands, Cortal Consors, den er nach dem Börsengang an eine französische Großbank verkaufte. 2006 brachte er Deutschlands erste unabhängig beratende Bank, die heutige Quirin Privatbank, auf den Markt. Sie verzichtet auf die Annahme von Provisionen und kann Anlegerinnen und Anleger deshalb unabhängig beraten. 2013 gründete Schmidt den ersten Robo-Advisor Deutschlands, quirion, um allen Menschen einen Zugang zu einer guten und günstigen Geldanlage zu ermöglichen. Seine Vision ist es, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Als Vorstand verantwortet er unter anderem die Bereiche Privatkundengeschäft und Anlagemanagement, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der quirion AG. Der gebürtige Franke ist verheiratet, Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Wahlheimat Berlin und Brandenburg.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

Das könnte Sie auch interessieren

Ist die deutsche Wirtschaft noch zu retten?
September 6, 2024
Inside Quirion
Finanzwissen

Ist die deutsche Wirtschaft noch zu retten?

Halb voll oder halb leer?
August 30, 2024
Inside Quirion
Finanzwissen

Halb voll oder halb leer?

Unberechenbar wie Herbststürme: nicht nur die Märkte, leider auch die Prognosen
August 23, 2024
Inside Quirion
Finanzwissen

Unberechenbar wie Herbststürme: nicht nur die Märkte, leider auch die Prognosen

Jetzt anlegen und Vermögen aufbauen.