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Über Geldmarktanlagen, inverse Zinsstrukturen und sich schließende Zeitfenster

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Vor einigen Tagen hat mir eine gute Freundin meiner Frau erzählt, dass sie von ihrem Bruder die Empfehlung bekommen habe, in Geldmarktfonds zu investieren. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass die Freundin nun glaubt, sich aufgrund ihrer Entscheidung, diesem (aktuell guten!) Rat zu folgen, über ihre Geldanlage fortan keine weiteren Gedanken mehr machen zu müssen. Diese Annahme ist allerdings ein großer Irrtum. Weil nun die Freundin meiner Frau eine kluge Frau ist, habe ich die Vermutung, dass sie nicht die Einzige ist, die diesem Irrtum unterliegt, sondern er durchaus weit verbreitet ist.

Im vorliegenden Logbuch möchten wir daher einmal etwas genauer darauf eingehen, was Geldmarktanlagen überhaupt sind und warum sie im aktuellen Zinsumfeld tatsächlich eine gute Empfehlung darstellen. Wir möchten aber auch darüber sprechen, warum sie das nicht dauerhaft sein werden und es daher falsch wäre, nach einem entsprechenden Engagement seine Hände gewissermaßen in den Schoß zu legen.

Was sind Geldmarktanlagen überhaupt und warum sind sie derzeit besonders interessant?

Bei Geldmarktinvestments handelt es sich um kurzfristige und in der Regel risikoarme Kapitalanlagen. Konkret: Als Geldmarktanlagen bezeichnet man Zinsanlagen bis zu einer maximalen Laufzeit von einem Jahr.[1] Das gesamte Laufzeitenspektrum der verzinslichen Anlagen reicht üblicherweise bis 30 Jahre[2], weshalb man bei Geldmarktpapieren häufig auch von Anlagen am kurzen Ende des Kapitalmarktes spricht. Warum derartige Anlagen derzeit in aller Munde sind und auch sehr häufig in der Fachpresse auftauchen, hat einen einfachen Grund: die aktuelle Zinskurveninversion. Um was geht es dabei?

Geldmarktpapiere

In normalen Zeiten gilt, dass Zinsanlagen mit längeren (Rest-)Laufzeiten höher rentieren als solche mit kürzeren. Grund: Je länger das eingesetzte Kapital gebunden ist, desto größer ist der Liquiditätsverzicht und gegebenenfalls auch das Risiko mit Blick auf eine ordnungsgemäße Zins- und Rückzahlung. Beides wird im Regelfall durch einen Zinsaufschlag im Vergleich zu Kurzläufern entgolten („Laufzeitenprämie“).

Aufgrund der besonderen geopolitischen und wirtschaftlichen Umstände der letzten Jahre (Corona-Pandemie, weltweite Lieferkettenprobleme, Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, überbordende Inflation) sowie der weltweiten kräftigen Zinserhöhungen vor allem am kurzen Ende durch die internationalen Notenbanken ist die Situation am Kapitalmarkt momentan aber gerade umgekehrt: Kurze Laufzeiten rentieren höher als lange. Diese ungewöhnliche und eher seltene Zinskonstellation wird als „inverse Zinskurve“ bezeichnet. Die folgende Grafik stellt die aktuelle Zinssituation Deutschlands dar sowie eine entsprechende Kurve aus dem Jahr 2009, als die Zinskonstellationen noch „normal“ waren und es in allen Restlaufzeiten positive Renditen gab.

Deutschland: "normale" vs. "inverse" Zinskurve

Üblicherweise (sprich in Phasen normaler Zinskurven) gilt, dass Anlegerinnen und Anleger bessere Renditechancen haben, wenn sie bereit sind, eine längere Kapitalbindung einzugehen[3], beispielsweise durch den Kauf langlaufender Staatsanleihen. Der damit verbundene längerfristige Liquiditätsverzicht und das bereits erwähnte größere Risiko werden mit einer höheren Renditeaussicht entschädigt. Genau diese Grundregel ist derzeit aber außer Kraft gesetzt: Um bessere Renditechancen wahrzunehmen, muss man eben nicht für längere Zeit auf Liquidität verzichten, im Gegenteil: Kurzfristanlagen rentieren derzeit grundsätzlich höher als länger laufende Anlagen. Das ist der Grund, warum Geldmarktanlagen wie Tagesgelder, kurzlaufende Festgelder und Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten, Geldmarktfonds usw. derzeit ein großes Thema sind und häufig als geradezu ideale Anlage angepriesen werden („hohe Zinsen, wenig Risiko“).

Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass die aktuell besonders hohe Attraktivität von Geldmarktanlagen zwar eine günstige Gelegenheit ist, dass sich diese aber nur in einem „Zeitfenster“ bietet, welches sich über kurz oder lang wieder schließen wird. Und vor allem ein Aspekt sollte unbedingt beachtet werden: Geldmarktanlagen haben – wie alle Kapitalmarktinvestments – nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile, und sie sind auch nicht für jede Anlagesituation geeignet. 

Warum wird sich das „Zeitfenster“ hoher Geldmarktzinsen vermutlich bald schließen?

Um dies zu verstehen, ist ein Blick in die Zinshistorie hilfreich. Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung der Renditen deutscher Staatsanleihen mit einjähriger und zehnjähriger Restlaufzeit seit den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Anders ausgedrückt: Sie zeigt die historischen Renditeentwicklungen am kurzen und langen Ende des Laufzeitenspektrums deutscher Anleihen. Zum Verständnis: In Phasen, in denen die Kurve der kurzfristigen Anleiherenditen (blau) über oder nahe derjenigen der langfristigen (gelb) lag, hatten wir es mit einer inversen oder flachen Zinskurve zu tun.

Auf und Ab der Anleiherenditen

Die Grafik macht im Wesentlichen zwei Sachverhalte deutlich: zum einen, dass Zinskurveninversionen (bzw. sehr flache Zinskurven) immer dann aufgetreten sind, wenn die wirtschaftliche (und politische) Situation gerade außergewöhnlich war. Die entsprechenden Phasen sollen hier nur kurz angerissen werden:















Neben den skizzierten historischen Bezügen wird durch die obige Grafik zum anderen aber auch deutlich, dass Inversionsphasen[4] immer nur vorübergehende Phänomene waren, die im Durchschnitt knapp zwei Jahre dauerten.[5] Anschließend normalisierte sich das Zinsgefüge wieder, in den meisten Fällen verbunden mit einem allgemein sinkenden Zinsniveau.

Ohne nun einen konkreten Zeitpunkt prognostizieren zu wollen, kann man auch mit Blick auf die aktuelle Zinssituation davon ausgehen, dass sie sich über kurz oder lang wieder normalisieren und die aktuell besonders hohe Attraktivität der Geldmarktanlagen aufgrund rückläufiger Verzinsungen verloren gehen wird. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Geldmarktsätze eng an die Leitzinsen der Notenbanken gekoppelt sind. Aufgrund zuletzt spürbar rückläufiger Inflationsraten und einer sich eintrübenden Konjunktur dürften die Leitzinsen vor allem im zweiten Halbjahr 2024 den Rückwärtsgang einlegen. Spätestens dann dürfte auch die Zeit vergleichsweise hoher Renditen am Geldmarkt vorbei sein.

Damit werden Geldmarktanlagen aber nicht völlig unnütz, sondern treten gewissermaßen wieder zurück in „Reih und Glied“ und können dann­ – völlig unabhängig von der jeweils vorliegenden Zinssituation – immer noch ihre charakteristischen Vorzüge ausspielen. Jetzt sind wir bei den entscheidenden Fragen angelangt, nämlich worin die Vorteile einer Geldmarktanlage eigentlich genau bestehen und für wen und unter welchen Umständen sie eine geeignete Anlageform darstellt. 

Die charakteristischen Vorzüge einer Geldmarktanlage

Geldmarktanlagen haben im Wesentlichen drei entscheidende Vorteile: Sie sind schnell liquidierbar, die voraussichtliche Zielrendite der Anlage spiegelt stets die jeweils aktuell herrschende Zinssituation am Geldmarkt wider und sie sind unter allen Kapitalmarktanlagen die mit dem geringsten Risiko.

Vor allem hinsichtlich des erstgenannten Vorteils gibt es unter Anlegerinnen und Anlegern häufig Missverständnisse. Viele glauben nämlich, dass bei einer Geldmarktanlage, die eine bestimmte Laufzeit hat, ihr angelegtes Vermögen entsprechend lange gebunden ist. Dies ist aber ein Irrtum. Die Laufzeit einer Geldmarktanlage von sagen wir einem halben Jahr besagt lediglich, dass die unterschiedlichen Geldmarktinstrumente, die beispielsweise in einem Geldmarkt-ETF enthalten sind, aktuell eine durchschnittliche Restlaufzeit von einem halben Jahr haben. Völlig unabhängig davon können sie aber börsentäglich liquidiert werden. Das Risiko, hierbei Kursverluste zu erleiden – das bei zwischenzeitlichen Verkäufen von anderen Anlagen wie Aktien oder langlaufenden Anleihen durchaus erheblich sein kann –, ist hier deutlich kleiner, weil die Werte am Geldmarkt kaum schwanken.

Der zweite Vorteil – die direkte Abbildung der aktuellen Geldmarktkonditionen – kann unter Umständen auch als Nachteil empfunden werden. Sinken nämlich die Zinsen am kurzen Ende bzw. am Geldmarkt, dann wird sich dies schnell und unmittelbar in der Rendite der Geldmarktanlage niederschlagen. Mit einem Geldmarktinvestment kann somit kein bestimmtes aktuell herrschendes Rendite- oder Zinsniveau „eingelocht“ werden. Hierzu bedarf es immer einer entsprechenden längerfristigen Festlegung. Beim Kauf einer länger laufenden Anleihe, die man bis zur Endfälligkeit hält, sichert man sich die zum Kaufzeitpunkt gültige Rendite für längere Zeit (sprich bis zur Anleihetilgung). Dadurch geht aber wiederum der Vorteil der schnelleren, risikoarmen Liquidierbarkeit verloren.

Für wen kommen Geldmarktanlagen in Frage …

Ganz grundsätzlich sind Geldmarktanlagen passend, wenn man sein Geld – aus welchen Gründen auch immer – (noch) nicht langfristig festlegen, sondern auf unbestimmte, aber vorübergehende Zeit anlegen möchte.

Damit sind im Wesentlichen zwei Zielgruppen gemeint: zum einen diejenigen, die mit ihrem Vermögen ganz konkrete Pläne haben, die in Kürze verwirklicht werden sollen, wie z. B. der Kauf einer Immobilie oder der Antritt einer mehrjährigen Weltreise. In derartigen Fällen ist eine Geldmarktanlage eine ideale Möglichkeit, sein Vermögen bis zum konkreten Zahlungstermin „zwischenzuparken“. Obendrein gibt’s noch eine marktgerechte Verzinsung.

Angesprochen sind zum anderen aber auch Anlegerinnen und Anleger, die ihr Vermögen zwar grundsätzlich langfristig anlegen möchten, sich aber noch nicht entscheiden können, wie genau dies geschehen soll … ob in Aktien, Anleihen oder einer Mischung aus beidem. In diesen Fällen verschafft eine vorübergehende Geldmarktanlage ausreichend Zeit, um sich in Ruhe und ohne Zeitnot über seine Anlagepräferenzen klar zu werden und auf diese Weise die individuell richtige Langfristanlage zu finden. Allerdings sollte sich diese „Findungsphase“ nicht über viele Monate oder gar Jahre hinziehen. Dann nämlich wird die Geldmarktanlage, die ja ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht war, schnell zum ungewollten und quasi zweckentfremdeten Dauerinvestment.

… und für wen nicht?

Anlegerinnen und Anleger, die langfristig anlegen können und möchten, parken das Geld oft kurzfristig, um darauf zu warten, dass sich in naher Zukunft eine noch bessere Einstiegsmöglichkeit zu höheren Zinsen (bei Anleihen) oder niedrigeren Kursen (bei Aktien) ergibt. Das ist aus unserer Sicht aber kein guter Grund für eine kurzfristige Geldanlage. Denn das Ausloten von günstigen Einstiegszeitpunkten kann man zwar versuchen, aber letztlich handelt es sich um eine Spekulation, von der wir abraten. Und zwar, weil wir wissen, dass das Warten auf einen noch besseren Einstieg mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht funktionieren wird – und wenn einmal doch, dann allenfalls durch puren Zufall.

Fazit

Wie aufgezeigt machen Geldmarktinvestments in bestimmten Situationen durchaus Sinn. Wovon wir allerdings nachdrücklich abraten: das eigentlich langfristig zur Verfügung stehende Kapital kurzfristig am Geldmarkt zu parken, um einen günstigen Einstiegszeitpunkt an der Börse abzupassen. Die Anlagepraxis zeigt immer wieder, dass dieses Unterfangen in den weitaus meisten Fällen zum Scheitern verurteilt ist.

Ebenfalls nicht zu empfehlen: sich zurücklehnen und der Hoffnung hingeben, dass das vergleichsweise hohe Zinsniveau am Geldmarkt noch möglichst lange Bestand haben wird. Es spricht vieles dafür, dass die Kurzfristzinsen bereits im zweiten Halbjahr 2024 ins Rutschen geraten werden, wenn die Notenbanken die Leitzinsen senken sollten. Spätestens dann wird auch die Zeit hoher Zinsen am Geldmarkt vorbei sein.

Deshalb unser abschließender Ratschlag: Machen Sie sich rechtzeitig Gedanken darüber, wie Ihr derzeit möglicherweise nur kurzfristig geparktes Geld, das aber im Grundsatz auch für eine Langfristanlage zur Verfügung steht, umgeschichtet werden kann, so dass Sie auch auf lange Sicht die Renditechancen des Kapitalmarkts nutzen.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

 

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* Die Zielrendite ist variabel und hängt von der Marktentwicklung ab. Zum 31.01.2024 lag die gewichtete Ablaufrendite der Finanzinstrumente im Portfolio bei 4,10 % p. a. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für zukünftige Ergebnisse.

 

 

Disclaimer/rechtliche Hinweise

Der Beitrag ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Er enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Erläuterungen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Die Informationen wurden einzig zu Informations- und Marketingzwecken zur Verwendung durch den Empfänger erstellt und können keine individuelle anlage- und anlegergerechte Beratung ersetzen.

Die Informationen stellen keine Anlage- Rechts- oder Steuerberatung, keine Anlageempfehlung und keine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräußerung dar. Die Vervielfältigung und Weiterverbreitung ist nicht erlaubt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne unsere ausdrückliche vorherige schriftliche Genehmigung nachgedruckt oder in ein Informationssystem übertragen oder auf irgendeine Weise gespeichert werden, und zwar weder elektronisch, mechanisch, per Fotokopie noch auf andere Weise.

* Die Zielrendite ist variabel und hängt von der Marktentwicklung ab. Zum 31.01.2024 lag die gewichtete Ablaufrendite der Finanzinstrumente im Portfolio bei 4,10 % p. a. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für zukünftige Ergebnisse.

 

[1] Der Übergang vom Geld- zum Kapitalmarkt ist fließend und von daher ist auch die genannte Ein-Jahres-Grenze mehr oder weniger willkürlich.
[2] Es gibt aber durchaus auch Zinsanlagen, welche eine noch deutlich längere Laufzeit haben; beispielsweise einige Staatsanleihen Österreichs, welche bei ihrer Ausgabe Laufzeiten von 50, 70 oder gar 100 Jahren hatten.
[3] Es gibt auch die Chance auf bessere Renditen durch Inkaufnahme erhöhter Ausfallrisiken (sog. „Bonitätsprämie“). Dieser Aspekt spielt für den Sachverhalt im vorliegenden Logbuch aber keine Rolle.
[4] Zu den Inversionsphasen zählen wir hier der Einfachheit halber auch Phasen mit annähernd flachen Zinskurven, in denen die kurzfristigen Renditen also genauso hoch bzw. nur geringfügig unter den langfristigen Renditen lagen.
[5] Die längste Inversionsphase dauerte rund 50 und die kürzeste vier Monate. Insgesamt hatten wir es in ca. 15 bis 20 % aller Marktphasen mit inversen oder annähernd flachen Zinskurven zu tun.

 

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