Am 8. November 2021 erreichte der Kurs des Bitcoins seinen bisherigen Höchststand von über 65.500 US-Dollar. In den Folgemonaten stürzte er massiv ab und fiel am 18. Juni 2022 auf ein Tief von 18.947 USD (-71 %). In den letzten beiden Monaten hat allerdings eine deutliche Aufholbewegung eingesetzt.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Logbuchs stand der Bitcoin bereits wieder bei über 24.000 USD. Bei der zweitgrößten Kryptowährung Ethereum verlief die Entwicklung ähnlich dramatisch: In ungefähr demselben Zeitraum verlor sie in der Spitze sogar knapp 80 % an Wert, hat seither aber ebenfalls massiv aufgeholt (siehe nachfolgende Grafik).
Vor dem Hintergrund dieses jüngsten fulminanten Anstiegs fragen sich vermutlich nicht wenige, ob sich die rasante Aufholjagd vielleicht fortsetzen wird und man die derzeit – verglichen mit den Höchstständen – günstigen Kurse nutzen und in Kryptowährungen investieren sollte. Auch bei Aktien – so die naheliegende Überlegung – sind ja heftige Rücksetzer im Rückblick auch immer gute Einstiegsmöglichkeiten gewesen. Warum also nicht auch bei Bitcoin & Co.?
Bei dieser Sichtweise wird jedoch übersehen, dass die Kursentwicklungen von Kryptowährungen im Gegensatz zu Aktien, die durchaus auch spekulativen Charakter haben können, ausschließlich spekulativer Natur sind. Oder wie dies in der Finanzmarktforschung – zugegebenermaßen sehr kryptisch – ausgedrückt wird: Aktienkurse sind gemischte deterministisch-stochastische Prozesse, während Kryptowährungskurse ausschließlich stochastischer Natur sind.
Welche entscheidenden Konsequenzen dieser vermeintlich kleine Unterschied hat, möchten wir Ihnen mit folgender Analogie verdeutlichen.
Ein Winterspaziergang …
Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie machen mit Ihrem (ggf. fiktiven) Hund einen Winterspaziergang über ein schneebedecktes Feld. Der Hund ist voll unbändiger Freude, springt kreuz und quer umher, läuft vorwärts und wieder zurück, rast in völliger Ausgelassenheit mal einem Hasen hinterher, mal irgendeinem Geruch. Kurzum: Es gibt nicht den Hauch einer Chance, vorherzusehen, in welche Richtung Ihr Hund als Nächstes springen oder laufen wird; und wenn Sie die Spuren seiner Pfoten im Schnee verfolgen, werden Sie feststellen, dass sie völlig erratisch, willkürlich und unkalkulierbar verlaufen. Insbesondere werden sie auch keinerlei Zusammenhang zwischen Ihren eigenen Fußspuren und denen Ihres Hundes bemerken.
Stellen Sie sich nun aber weiter vor, Sie könnten die ganze Szenerie aus einer Höhe von sagen wir zehn Metern aus beobachten. Dann würden Sie plötzlich feststellen, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen Ihren Fußspuren und denen Ihres Hundes gibt: Letztlich schlägt er bei allem zwischenzeitlichen Hin und Her bzw. Vor und Zurück doch die gleiche Richtung wie Sie selbst ein.
In analoger Weise verhält es sich mit Aktienkursentwicklungen. Auch diese sind kurz- und mittelfristig unmöglich zu prognostizieren – sollte es dennoch gelingen, ist es reine Glückssache. Trotzdem folgen sie letztlich einem fundamentalen Pfad, nämlich der positiven Entwicklung der Unternehmensgewinne und damit dem Wachstum der gesamten Volkswirtschaft. So wie Sie die Richtung vorgeben, in die der Hund dann schlussendlich laufen wird, legt auch die Entwicklung der globalen Weltwirtschaft, die langfristig nach oben gerichtet ist, fest, dass die Aktienkurse über kurz oder lang steigen werden.
Diese Zusammenhänge sind der tiefere Grund, warum wir unseren Kundinnen und Kunden auch in den aktuellen politisch und ökonomisch unsicheren Zeiten sowie möglichen weiteren Aktienmarktturbulenzen dazu raten, nicht die Nerven zu verlieren, stattdessen investiert zu bleiben und ihre aus gutem Grund gewählte Aktienquote beizubehalten … ja vielleicht sogar die nachgebenden Kurse für einen Einstieg oder eine Aufstockung zu nutzen, um am langfristigen Aufwärtstrend des Aktienmarktes zu partizipieren. Die Maxime lautet hierbei: Die Aktieninvestments so breit und international wie möglich streuen.
… und ein streunender Hund
Doch wie verhält es sich im Gegensatz dazu mit Kryptowährungen? Um zum Bild des Winterspaziergangs zurückzukehren: Kryptowährungskurse gleichen einem herrenlos streunenden Hund, dessen Pfotenspuren auch aus zehn Metern Höhe betrachtet keiner erkennbaren Richtung folgen. Auf kurze Sicht bzw. Entfernung gibt es dagegen keinen wahrnehmbaren Unterschied zwischen den Spuren Ihres und eines herrenlosen Hundes: Beide verhalten sich völlig erratisch und unvorhersehbar. Der Unterschied wird erst langfristig deutlich, sprich – um im Bild zu bleiben – aus zehn Metern Höhe. So wie Sie als Hundebesitzerin bzw. -besitzer wissen, dass Ihr Hund Ihnen am Ende folgt, kann man auch für die globalen Aktienmärkte davon ausgehen, dass sie letztlich steigen werden. Anders bei Kryptowährungen: Da bis heute (noch) kein anerkannter fundamentaler Pfad für sie existiert, ist es völlig unklar, wo die Kurse letztlich landen werden.
Dies führt dazu, dass die Nachfrage nach Kryptowährungen (und in der Folge die Preisentwicklung) fast ausschließlich davon abhängt, wie gut oder schlecht sich der Kryptomarkt gerade entwickelt. Sie ist extrem zyklisch: Werden Rekordstände gemeldet und ist das Presseecho entsprechend groß – vor allem beim Bitcoin –, ist die Nachfrage sehr hoch. Häufen sich dagegen die negativen Schlagzeilen rund um Bitcoin & Co., kann es schnell zu einem sich selbstverstärkenden Ausverkauf kommen. Tendieren die Märkte seitwärts, tut sich nachfrageseitig wenig. Die Konsequenz: Der gesamte Kryptowährungsmarkt ist derzeit nach wie vor rein spekulativ getrieben.
Dies schließt nicht aus, dass sich ein neuer Aufwärtstrend herausbilden kann, aufgrund dessen dann wieder erhebliche Kursgewinne möglich sind. Darauf verlassen kann man sich aber nicht.
Fazit für Anlegerinnen und Anleger
Kryptowährungsinvestorinnen und -investoren sollten sich die Tatsache vergegenwärtigen, dass ihre Anlage in höchstem Maße spekulativ ist und sie auch einen Totalverlust erleiden können. Stand heute kann niemand ausschließen, dass sich das ganze Thema Kryptowährungen als Riesenhype erweist und quasi in Luft auflöst. Da wir jedoch überzeugt sind, dass die den Kryptowährungen zugrundeliegende Blockchain eine große innovative Zukunftstechnologie repräsentiert, glauben wir persönlich nicht an eine zum Platzen verurteilte Blase, aber ausschließen lässt sich das eben auch nicht. Somit bleiben Bitcoin & Co. bis auf Weiteres eine Glaubensfrage.
Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank
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