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Vorsicht, gefährlicher Herdentrieb!

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Länger andauernde Aufwärtsbewegungen am Aktienmarkt erzeugen unter Anlegern häufig ein stark von Euphorie geprägtes Anlageverhalten. Die hieraus resultierende Kauflaune erstreckt sich allerdings in der Regel nicht auf den breiten Gesamtmarkt, sondern konzentriert sich häufig auf ausgewählte Aktienmarktsegmente.

Insbesondere ist immer wieder folgendes Phänomen zu beobachten: Im Verlaufe anhaltend steigender Kurse zeigt sich häufig, dass Anleger zunehmend risikofreudiger werden und zum sogenannten Herden-Verhalten neigen. Darüber hinaus wird die Hausse an den Börsen in den meisten Fällen von Aktien relativ weniger Regionen und/oder Branchen getrieben, die – aus welchen Gründen auch immer – extrem nachgefragt sind, wie derzeit beispielsweise Aktien des Technologiesektors. Anleger orientieren sich oft am Verhalten anderer Marktteilnehmer, die verstärkt in bestimmte Sektoren investieren, und springen auf den bereits fahrenden Zug auf. Sie lassen sich von der entfachten Euphorie mitreißen und sind überzeugt, das Richtige zu tun, denn es machen ja auch alle anderen. Statt mit gesundem Menschenverstand an die Anlage heranzugehen, vertrauen die Anleger auf das, was die Herde macht. Speziell in heiß begehrten Segmenten baut sich mit der Zeit ein großes Kursrückschlagspotenzial, d. h. ein ausgeprägtes Herdenrisiko, auf.

Phasen heftig fallender Kurse dagegen sind gekennzeichnet durch eine plötzlich zunehmende Risikoaversion („Wie konnte ich nur einsteigen …?“). Die Verluste konzentrieren sich dabei vor allem in denjenigen Märkten, in denen vorher herdentriebsbedingte Übertreibungen zu beobachten waren.

Problematische Risikokennzahl „Volatilität“

Üblicherweise wird im Rahmen des Anlagemanagements das Risiko mittels der Kennzahl „Volatilität“ (Ausmaß von Kursschwankungen) gemessen, welche häufig auf der Grundlage historischer Zeitreihen ermittelt wird.

Historische Volatilitäten haben jedoch folgende Besonderheiten: Werden sie langfristig gemessen, zeigen sie ein relativ konstantes, von aktuellen, unter Umständen auch stärkeren Marktbewegungen weitgehend unabhängiges Risikoniveau an. Kurzfristig dagegen sind sie sehr erratisch und signalisieren meistens in Hochphasen ein geringes und in Tiefphasen ein relativ hohes Risiko (siehe nachfolgende Abbildung).

Kurzfrist- und Langfrist-Volatilität

Kurzfrist-Volatilitäten nehmen daher im Verlaufe anhaltender Börsenaufschwünge immer mehr ab und sind am geringsten, wenn das Herdenrisiko am größten ist.

Umgekehrt steigen sie nach heftigen Kurseinbrüchen wieder sprunghaft an, was sich sehr deutlich in der Corona-Krise gezeigt hat (siehe nachfolgende Abbildung).

Kurzfrist-Volatilität

Es lässt sich somit festhalten: Insbesondere in Marktaufschwungphasen entsteht in besonders stark nachgefragten Anlagesegmenten eine ausgeprägte Kursückschlagsgefahr, sprich ein großes Herdenrisiko. Speziell vor diesem Risiko wird jedoch anhand der üblicherweise im Anlagemanagement verwendeten Risikokennzahl, der Volatilität, nicht gewarnt – im Gegenteil: Bei einer kurzfristigen Volatilitätsmessung bleibt das Rückschlagsrisiko unerkannt und wird sogar noch beschönigt.

Herdenrisiko und Diversifizierung

Aus den genannten Zusammenhängen ergibt sich, dass die Diversifikation über eine Vielzahl von Branchen, Regionen und Aktienkategorien (wie zum Beispiel Neben- oder auch Substanzwerten) vor allem im Verlauf anhaltender Börsenaufschwünge besonders wertvoll ist. Nur auf diese Weise können die in einzelnen Marktsegmenten schlummernden Herdenrisiken vermieden werden, ohne die positiven Renditeaussichten des Aktienmarktes in seiner Gesamtheit zu beeinträchtigen.

Aus diesem Grund warnen wir ausdrücklich davor, sich von den außergewöhnlichen Wertentwicklungen einzelner Anlagesegmente blenden zu lassen und dabei die Risikostreuung zu vernachlässigen. Eine konsequente Diversifizierung über eine Vielzahl von Aktienkategorien hinweg bleibt das A und O jeder vernünftigen, disziplinierten und langfristig ausgelegten Anlagestrategie. Darüber sollte auch die jüngste und zugegebenermaßen beeindruckende Out-Performance des Technologie- und Informationssektors nicht hinwegtäuschen. Also widerstehen Sie dem Herdentrieb, denn langfristig erzielen nur diejenigen Anleger hohe Renditen, die kalkuliert, emotionslos und wohlüberlegt agieren – auch wenn das gewiss nicht immer leichtfällt. Zudem gilt: Bei einer hinreichend breit gestreuten Anlage haben Sie automatisch auch die Out-Performer dabei.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank, und sein Team

 

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