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Größter Tagesverlust in Japan seit 1987 – Vorbote einer weltweiten Aktienmarktkorrektur?

Prof. Dr. Stefan May
,
Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung
8
Minuten

Das Wichtigste in Kürze

  • Kursabsturz in Japan, Rezessionssorgen in den USA und schwächelnde Technologieaktien – die Börsenstimmung ist deutlich gedrückt.
  • Einige Belastungsfaktoren relativieren sich aber bei näherer Betrachtung.
  • Ruhe bewahren ist auch diesmal das Gebot der Stunde.

Angesichts der Verluste am japanischen Aktienmarkt vom Montag um über 12 %, fragen sich viele Anlegerinnen und Anleger, ob dieser seit 1987 stärkste Tagesverlust den Beginn einer länger andauernden Korrektur oder gar eines ausgemachten, globalen Aktienmarkt-Crashs markiert.

Obwohl wir ein solches Krisenszenario selbstverständlich nicht ausschließen können und sich die bereits am darauffolgenden Dienstag einsetzenden Erholungen durchaus noch als eine sogenannte Bullenfalle  erweisen könnten, gehen wir Stand heute nicht davon aus.

Das vor allem aus folgenden Gründen, die verdeutlichen, warum es sich um spezielle japanische Probleme handelt.

1. Japans Volkwirtschaft ist nach Jahrzehnten von der Stagnation und deflatorischern Tendenzen derzeit auf dem Weg zu „normalen“ ökonomischen Verhältnissen mit leicht positiver Inflation und etwas kräftigerem Wachstum.

Dies hat unter anderem auch dazu geführt, dass die japanische Zentralbank nach einer langen Nullzinsphase nun wieder zu positiven Leitzinssätzen zurückgekehrt ist, was sich naturgemäß auch an den japanischen Anleihemärkten widerspiegelt. Eine Entwicklung, die an sich zu begrüßen ist und auch zum jüngsten Aktienaufschwung in Japan beigetragen haben dürfte.

Die jüngste Leitzinserhöhung auf 0,25 % und die Ankündigung der Notenbank, dass weitere Schritte folgen könnten, waren aber überraschend forsch. Das führte zu einem nochmals stark ansteigenden Yen, was die Ausfuhren verteuert und somit die exportorientierte japanische Wirtschaft belastet. Dies dürfte letztlich die Korrektur am Aktienmarkt ausgelöst haben.

2. Zudem hat sich der japanische Aktienmarkt in letzter Zeit weit überdurchschnittlich entwickelt.

Daher kann man den Rückgang durchaus auch als eine überfällige Korrektur vorhergehender Übertreibungen interpretieren.

Dass es sich bei den aktuellen Turbulenzen vor allem um ein japanisches Problem handelt, zeigt sich auch daran, dass die Rückschläge an den anderen großen Börsen bei weitem nicht so stark ausgefallen sind.

Beachtenswert ist auch, dass sich die aktuellen Kursrückschläge in der längerfristigen Betrachtung relativieren, da die Aktienmärkte in den letzten Jahren einen erfreulichen Kursaufschwung gezeigt haben.

Zur Wahrheit zählt aber auch, dass die Anlegerinnen und Anleger in den letzten Tagen neben dem Kurssturz in Japan aktuell auch noch andere Sorgen umtreiben, die sich erst in den letzten Tagen deutlich verstärkt haben.

US-Rezessionssorgen

Die Verwunderung über eine nun schon seit längerem sehr robuste US-Wirtschaft ist beinahe im Handumdrehen Rezessionssorgen gewichen. Auslöser waren schwächere Konjunkturdaten aus dem verarbeitenden Gewerbe und enttäuschende Arbeitsmarktdaten.

Stand jetzt halten wir die Ängste für übertrieben, da die US-Wirtschaft noch aus einer Position der relativen Stärke gegenüber vielen anderen Volkswirtschaften agiert. Zudem dürfte die US-Notenbank in Kürze mit Zinssenkungen gegensteuern.

Stärkere Korrekturen auch bei US-Tech-Werten

Nach einigen weniger erfreulichen Quartalszahlen und Ausblicken ging es speziell bei größeren US-Tech-Werten in den letzten Tagen stärker bergab. Am Markt mehren sich offenbar Zweifel, ob sich die hohen Investitionsausgaben rund um das Thema KI auch tatsächlich in absehbarer Zeit in hohe Erträge ummünzen lassen.  

Auch wenn es die eine oder andere Schlagzeile vermuten lassen könnte: Die KI-Phantasie ist nach unserer Einschätzung nicht erloschen, dafür ist das wirtschaftliche Potenzial einfach zu groß. Zudem waren – ähnlich wie bei japanischen Aktien – auch die Kurse der US-Tech-Riesen in letzter Zeit überproportional geklettert. Das hat sie schlichtweg anfälliger für Korrekturen gemacht.

Was ist in der aktuellen Situation ratsam?  

Selbstverständlich wissen auch wir nicht, wie es letztlich weitergehen und ob sich das Ganze doch noch zu einer größeren Korrektur ausweiten wird.

Definitiv aber wissen wir, dass ein Ausstieg – selbst, wenn es in den nächsten Tagen und Wochen weiter nach unten gehen sollte – keine gute Idee ist. Rückblickend lässt sich zwar immer feststellen, wann es am besten gewesen wäre, aus- und wieder einzusteigen. Tatsächlich aber erwischt man die richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkte so gut wie nie. Insbesondere der Wiedereinstieg wird von den meisten verpasst, da die über kurz oder lang auf jeden Fall einsetzenden Erholungsphasen in der Regel sehr überraschend und heftig ausfallen. Auch wenn man also mit einem Ausstieg weiteren Verlusten zunächst ausweichen konnte, ist es bisher in der Gesamtbetrachtung so gut wie immer besser gewesen, diszipliniert investiert zu bleiben.

Schlussfolgerungen

  • Wenn Aktienkurse stärker fallen, gewinnen bei Anlageentscheidungen oft die Emotionen die Überhand – überstürzte Verkäufe sind dann häufig die Folge.
  • Rein rational ist eine ruhige Hand mit Blick auf den langfristigen Anlageerfolg aber wesentlich sinnvoller – ein gutes Timing beim Aus- und Einstieg gelingt höchst selten und wenn, dann nur zufällig.
  • Schärfere Korrekturen in einzelnen Marktsegmenten, wie wir sie aktuell erleben, sind zudem ein starker Beleg dafür, wie gefährlich es sein kann, zu starke Schwerpunkte in einzelnen Anlagebereichen zu setzen.

Lesen Sie mehr:

Zur bestmöglichen Abfederung von Kursverlusten ist eine sehr breite Streuung der Aktienanlagen unbedingt notwendig. So wichtig die Diversifizierung bei der Geldanlage auch ist, manchmal stellt sie Anlegerinnen und Anleger vor psychologische Herausforderungen. Was sich dahinter verbirgt und warum sich eine breite Risikostreuung trotzdem sehr lohnt, lesen Sie bei Interesse in unserer Logbuch-Ausgabe „Der psychologische Preis der Diversifizierung“.

[1] Als Bullenfalle bezeichnet man eine Situation, in der nach einem größeren Einbruch eine anschließend einsetzende Kurserholung zum Einstieg genutzt wird, was sich aber als Fehler erweist, weil die Kurse anschließend doch weiter fallen.

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Über den Autor
Prof. Dr. Stefan May

Prof. Dr. Stefan May ist als Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung seit 2014 bei der Quirin Privatbank tätig und hat jahrzehntelange Erfahrung in der Kapitalmarktpraxis. Er ist zudem seit rund 30 Jahren Professor für Finanzmarktanalyse und Portfoliomanagement an der Technischen Hochschule Ingolstadt (mittlerweile emeritiert). Prof. May hatte maßgeblichen Anteil an der Einführung unseres auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung basierenden Anlagekonzepts. Als Vorsitzender des Anlageausschusses der Bank ist er – gemeinsam mit dem Team der Vermögensverwaltung – nach wie vor für die fortlaufende Gestaltung und Optimierung der Anlagestrategien verantwortlich.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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