Seit kurzem bietet der US-Vermögensverwalter BlackRock hierzulande die ersten Anleihen-ETFs mit fester Laufzeit unter dem Namen „iBonds“ an. In Deutschland ist „iShares“ als Markenname für die Sparte der börsengehandelten Indexfonds (ETFs) im BlackRock-Konzern bekannt. Angelehnt daran trägt die neue Gattung von Anleihen-ETFs den Namen iBonds. Das „i“ bei iShares bzw. bei iBonds steht übrigens für „Index“.
In der Presse wird des Öfteren der Eindruck erweckt, dass sich mit den neuartigen ETFs ansehnliche Renditen ohne Risiko erzielen lassen. Nachfolgend klopfen wir diese Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt hin ab.
Funktionsweise der neuen iBonds-ETFs
Im Gegensatz zu bisher in Deutschland vertriebenen Renten-ETFs laufen die neuen iBonds-Produkte nicht unendlich, sondern haben eine begrenzte Laufzeit – so, wie das bei Einzelanleihen der Fall ist. Die iBonds bilden ein breites Anleiheportfolio in Gestalt eines Anleiheindex ab. Die ETF-Neulinge werden wie eine Anleihe zu einem fixen Termin fällig, Anlegerinnen und Anleger bekommen dann ihr Kapital ausgezahlt. Die genaue Auszahlungshöhe lässt sich aber – im Gegensatz zu Einzelanleihen – nicht im Vorhinein genau bestimmen. Das Fälligkeitsdatum der bislang verfügbaren iBonds wurde auf Ende 2025, 2026, 2027 und 2028 festgelegt. Wie in vielen ETF-Anlagesegmenten üblich, gibt es auch hier eine ausschüttende und eine thesaurierende Variante – bei Letzterer werden die Zinserträge innerhalb des ETFs wiederangelegt.
Derzeit sind elf verschiedene iBonds-ETFs erhältlich – weitere dürften in den nächsten Wochen vermutlich folgen, auch von anderen ETF-Anbietern. Sie investieren hauptsächlich in europäische oder amerikanische Unternehmensanleihen guter Bonität (sog. „Investment-Grade“). Ein iBonds-ETF hält US-Staatsanleihen.
Die Neulinge kommen jeweils in einer Variante mit Euro- und US-Dollar-Anleihen daher. Dabei ist zu beachten, dass die Dollar-Tranchen der iBonds-ETFs zwar in der Regel etwas höhere Renditen abwerfen, aber gleichzeitig auch das Wechselkursrisiko beinhalten. Der Renditevorsprung kann also durch eine Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro schnell dahin sein. Bei ETFs mit Währungsabhängigkeiten sind die Erträge generell deutlich schwerer zu kalkulieren.
Die laufenden Kosten der iBonds-ETFs liegen aktuell bei 0,12 Prozent jährlich. In den USA bietet BlackRock derartige Laufzeiten-ETFs übrigens bereits seit 2010 an. Auch in Deutschland sind Laufzeitenfonds im Grunde genommen ein alter Hut. Allerdings wurden sie bislang nur im Mantel von aktiv gemanagten Fonds angeboten – einen bleibenden Eindruck haben sie nicht hinterlassen.
Indexdetails
Grundlage für die neuen iBonds-Indexfonds sind meist Unternehmensanleihen-Indizes, für deren Berechnung und Zusammenstellung die Datenanbieter Bloomberg und MSCI verantwortlich zeichnen. Zusätzlich wird bei den im Index enthaltenen Anleiheschuldnern ein sog. „ESG-Filter“ (Environmental, Social and Governance – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) angewendet.
Bedeutet konkret: Es werden Anleiheschuldner ausgeschlossen, die mit den folgenden Geschäftsfeldern/Aktivitäten in Verbindung stehen: Tabakherstellung, Atomwaffen, Herstellung ziviler Feuerwaffen und umstrittener Waffen, Kraftwerkskohle, Stromerzeugung aus Kraftwerkskohle, Ölsande, konventionelle Waffen und Waffensysteme, Waffenkomponenten, -unterstützungssysteme und -dienstleistungen.
Die Laufzeiten der im jeweiligen Index enthaltenen Anleihen, auf den sich der iBonds-ETF bezieht, enden in dem Jahr, das im jeweiligen ETF-Namen angegeben ist. Die neuen iBonds-ETFs bieten somit – im Gegensatz zu klassischen Anleihen-ETFs, bei denen fällige Anleihen automatisch reinvestiert werden – ein klares Auszahlungsprofil. Zur Verdeutlichung soll dieser Sachverhalt exemplarisch anhand eines iBonds Dezember 2028 Corporate ETFs (Euro-Tranche) erläutert werden. Als Fälligkeitsdatum dieses ETFs wurde der 31.12.2028 festgelegt. Der ETF wird am darauffolgenden Tag liquidiert und der Erlös an die Anteilsinhaberinnen und -inhaber ausgekehrt.
Der dem erwähnten iBonds-ETF zugrundeliegende Index misst die Wertentwicklung von auf Euro lautenden Investment-Grade-Unternehmensanleihen, die zwischen dem 01.01.2028 und dem 15.12.2028 fällig werden. Folglich endet die Laufzeit einzelner im Index enthaltener Anleihen schon etliche Monate vor der eigentlichen Endfälligkeit des iBonds-ETFs (31.12.2028). In derartigen Fällen wird der Erlös aus den fälligen Papieren in kurzlaufenden deutschen und französischen Staatsanleihen geparkt. Zu welchen Renditen dies geschieht, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht sagen.
Aktuell liegt die durchschnittliche, auf die Endfälligkeit gerechnete Rendite der im Index enthaltenen Anleihen bei etwas über 4 Prozent p. a. Und eben diese Rendite wird den Anlegerinnen und Anlegern in Aussicht gestellt, wenn sie das Produkt bis zum Auflösungszeitpunkt halten. Dies bedarf einer genaueren Betrachtung.
Knackpunkt Rating-Verschlechterung
Zunächst zur Veranschaulichung eine Übersicht, welche Anleihe-Ratings nach der Logik von Standard & Poor’s (S&P) unter den Investment-Grade-Sektor fallen und was die Ratings im Einzelnen bedeuten. S&P ist die weltweit größte und bekannteste Ratingagentur.
Anleihen mit dem Siegel „Investment-Grade“ gelten bezüglich der Zins- und Rückzahlung als relativ sicher. Derartige Anleihen eignen sich folglich für eine langfristige Kapitalanlage und damit für Anlegerinnen und Anleger, die nur recht überschaubare Risiken eingehen wollen – komplett ohne Risiko sind Investment-Grade-Anleihen aber nicht. Bei Non-Investment-Grade-Anleihen hingegen stehen Zinszahlung und Tilgung (am Laufzeitende) auf deutlich wackligeren Füßen. Das spürbar höhere (Ausfall-)Risiko wird hier durch höhere Renditechancen abgegolten.
Ein Risiko – nicht nur bei den neuen ETFs – ist, dass im maßgeblichen Index befindliche Anleiheemittenten pleitegehen. Aber so weit muss es gar nicht kommen, auch Ratingherabstufungen können für Turbulenzen beim ETF-Preis sorgen. Nach der Logik des dem erwähnten iBonds-ETF zugrundeliegenden Index werden Anleihen verkauft, die während ihrer Laufzeit den Investment-Grade-Status verlieren und auf Non-Investment-Grade herabgestuft werden.
Die Veräußerung solcher von einer Rating-Herabstufung betroffenen Anleihen ist erfahrungsgemäß oft mit spürbaren Kurseinbußen verbunden, weil sich die Bonität des entsprechenden Anleiheschuldners verschlechtert. Daraufhin müssen vor allem bestimmte institutionelle Großinvestoren diese Anleihe verkaufen. Sie dürfen laut ihren Anlagestatuten nur Anleihen kaufen bzw. halten, die ein Investment-Grade-Rating vorweisen können. Geht dieses verloren, müssen die betroffenen Anleihen umgehend veräußert werden – unabhängig davon, wie tief die Anleihekurse bereits gesunken sind.
Dass die Gefahr von Ratingverschlechterungen in die Non-Investment-Grade-Region durchaus real ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Rating-Aufteilung der im iBonds-ETF vertretenen Anleihen (derzeit 299 an der Zahl).
Immerhin knapp 45 Prozent der Anleihen weisen ein Rating im Dreifach-B-Bereich auf – knapp 7 Prozent sind mit BBB- geratet. Zur Verdeutlichung: BBB- ist das schlechteste Rating innerhalb des Investment-Grade-Sektors. Sollte sich hier das Rating nur um eine Nuance verschlechtern, würde eine Herabstufung auf die nächste Ratingstufe BB+ erfolgen. Damit würden die betroffenen Anleihen in den Non-Investment-Grade-Bereich absacken und müssten verkauft werden.
Angesichts der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, mit denen viele Unternehmen zu kämpfen haben, käme auch eine Herabstufung von Anleiheemittenten mit einem aktuellen Rating von BBB in den Non-Investment-Grade-Bereich nicht völlig überraschend. Sollte es tatsächlich zu den geschilderten Herabstufungen kommen, dürften die beim Erwerb der iBonds-ETFs in Aussicht gestellten Renditen (per Endfälligkeit) schnell ins Wanken geraten. Wie stark, hängt naturgemäß davon ab, wie viele Anleihen letztlich von einer Herabstufung in den Non-Investment-Grade-Sektor betroffen wären und wie kräftig die Kurseinbußen im Rahmen einer dann notwendigen Veräußerung ausfallen.
Branchenunwucht und fehlender Praxistest
Was zudem noch kritisch angemerkt werden sollte, ist der nicht gerade optimale Branchenmix der Anleiheschuldner, in die im Rahmen des iBonds-ETFs investiert wird (siehe nachfolgende Grafik).
Angesichts der recht hohen Bankengewichtung muss man zwangsläufig an die vielen Finanzkrisen der Vergangenheit denken, deren Auslöser nicht selten der Finanzsektor war. Allerdings muss man der Fairness halber zugestehen, dass diese Unwucht vermutlich auch bei traditionellen Unternehmensanleihen-ETFs öfter zu beobachten sein dürfte.
Abschließend noch ein für uns wichtiger Aspekt: Die von uns empfohlenen und im Rahmen unserer Vermögensverwaltungen zum Einsatz kommenden ETFs durchlaufen im Vorfeld einen umfangreichen und sehr detaillierten Analyseprozess. Ein nicht unwichtiges Kriterium ist hierbei, wie genau die in Betracht kommenden ETFs ihren zugrundeliegenden Index auch tatsächlich abbilden. Da die iBonds-ETFs gerade erst frisch auf den Markt gekommen sind, steht ein echter Praxistest noch aus.
Fazit
Die neuen iBonds-ETFs sind nicht frei von Risiken. Dass Finanzvermittler und Teile der Presse iBonds-ETFs als Rundum-sorglos-Paket anpreisen („hohe Rendite ohne Risiko“), sollte also zur Vorsicht mahnen. Leugnen lässt sich aber nicht, dass die neuen Laufzeiten-ETFs eine durchaus interessante Ergänzung im Bereich der Anleihen-ETFs darstellen könnten, wenn der noch ausstehende Praxistest erfolgreich gemeistert wird.
Sofern er gelingt, stünde insbesondere Anlegerinnen und Anlegern, die das investierte Kapital zu einem konkreten Zeitpunkt wieder benötigen, mit den iBonds-ETFs eine interessante Anlagealternative zur Verfügung. Alle anderen müssten sich nach Rückzahlung des jeweiligen Laufzeiten-ETFs immer wieder um eine Reinvestition kümmern.
Grundsätzlich bleibt im mittlerweile wieder attraktiv rentierenden Anleihebereich eine international breit gestreute Anlage mit bereits bewährten Staats- und Unternehmensanleihen-ETFs erste Wahl.
Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank, unter besonderer Mitwirkung von Andreas Naujeck (Senior Analyst Investmentkommunikation)
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