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Vorsicht bei „unkaputtbaren“ Aktien

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In nahezu jeder Börsenphase gibt es bestimmte Aktien, in die Anlegerinnen und Anleger regelrecht vernarrt sind. Man ist überzeugt, dass es sich bei den entsprechenden Werten um perfekte Investments handelt: Die Unternehmenstorys sind beeindruckend und stehen oft im Einklang mit aktuell zu beobachtenden technologischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen (z. B. Künstliche Intelligenz oder Überalterung der Bevölkerung). Dazu kommen – ganz wichtig! – fulminante Kursentwicklungen.

Hält die überdurchschnittliche Wertentwicklung über einen längeren Zeitraum an, setzt sich nach und nach die Überzeugung fest, dass mit einem solchen Investment eigentlich nichts schiefgehen kann, ja in gewisser Weise gelten solche Aktien sogar als „unkaputtbar“.

In vergangenen Börsenzeiten hatte beispielsweise die Aktie des US-Computerkonzerns IBM einen derartigen Status. Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine kleine Randbemerkung für Cineasten, die den damaligen exzellenten Ruf des Unternehmens IBM („International Business Machines“) unterstreicht: Der Name „HAL“ des Super-Computers im berühmten Kubrick-Film „2001: Odyssee im Weltraum“ aus dem Jahr 1968 ist nichts anderes als eine Verschlüsselung des Akronyms IBM: Im Alphabet steht vor dem I ein H, vor dem B ein A und vor dem M ein L.

Auch heute sind es wieder vor allem amerikanische Technologiewerte, welche die Anlegerphantasie beflügeln. Aber auch deutsche Titel hatten schon einmal den Nimbus, dass sie ewig in der Erfolgsspur bleiben würden. Die Siemens-Aktie beispielsweise wurde früher häufig als „Witwen- und Waisenpapier“ und als „mündelsicher“ (wie das gute alte Sparbuch) bezeichnet. Auch die Aktie der Deutschen Bank hatte in ihren besten Zeiten einen ähnlich legendären Ruf. Der Verfasser kann sich noch sehr gut an Diskussionen erinnern, in denen ernsthaft bezweifelt wurde, dass die größte deutsche Geschäftsbank der immerhin drittgrößten Industrienation der Welt jemals in existentielle Schwierigkeiten geraten könnte.

Wie bereits erwähnt, sorgen aktuell vor allem amerikanische Technologiewerte für Begeisterung; und hier vor allem ein Titel, der speziell unter deutschen Anlegerinnen und Anlegern fast wie ein Geheimtipp gehandelt wird: Nvidia. Bislang war Nvidia als Marktführer im Bereich von Grafikkarten bekannt. Mittlerweile entwickelt und produziert das Unternehmen auch leistungsstarke Prozessoren, die speziell für den Einsatz im Rahmen Künstlicher Intelligenz und sogenannter Deep-Learning-Anwendungen optimiert sind und in einer Vielzahl von KI-Systemen und Rechenzentren eingesetzt werden.

Neben der beeindruckenden Unternehmensstory ist es vor allem die rasante Kursentwicklung, welche Anlegerinnen und Anleger fasziniert … um nicht zu sagen „elektrisiert“ (siehe nachfolgende Grafik).

KI-Phantasie treibt den Aktienkurs

Innerhalb von nur vier Jahren hat sich der Kurs sage und schreibe verzehnfacht, was im Grunde einem exponentiellen Wachstum entspricht. Exponentiell nach oben gerichtete Kurse sind übrigens für derartige Aktien durchaus typisch und – neben einer suggestiven Unternehmenstory – der Hauptgrund für ihre Berühmtheit.

Doch dass es nach einem Hype auch in eine ganz andere Richtung gehen kann, möchten wir mit folgender Grafik illustrieren. Hierbei vergleichen wir die Entwicklung von Nvidia mit einer Aktie, die vor rund 25 Jahren einen vergleichbaren Höhenflug wie Nvidia erlebte, nämlich dem US-Wert Cisco, einem Pionier im Bereich Internet-Infrastruktur. In der Abbildung haben wir den gemeinsamen Startzeitpunkt auf 100 normiert und die Kursverläufe der entsprechenden Zeiträume übereinandergelegt.

Nvidia und Cisco

Man erkennt, dass Cisco in den vier Jahren von 1996 bis 2000 eine ähnlich explosive Wertentwicklung hingelegt hat wie Nvidia von 2020 bis 2024.

Im Jahr 2000 kam es dann allerdings bei Cisco zu einem heftigen Absturz – in der Spitze um fast 90 %. Das Unternehmen wurde vom Zusammenbruch der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends besonders hart getroffen. Mittlerweile hat sich die Aktie zwar wieder erholt, sie notiert aber – auch nach fast 25 Jahren – immer noch unter ihrem Allzeithoch. 

Cisco Erholung Allzeithoch

Durch den Vergleich der beiden Aktien möchten wir nicht falsch verstanden werden: Wir wollen damit keinesfalls suggerieren, dass Nvidia demnächst das gleiche Kursdebakel erleben wird wie Cisco vor fast 25 Jahren. Der eigentliche Punkt ist vielmehr: Wir wissen es nicht und auch niemand anderes kann es wissen. Die fulminante Entwicklung von Nvidia kann gut und gerne noch etliche Jahre so weitergehen, die Aktie kann aber auch schon morgen abstürzen. Speziell der Bereich neuer Technologien unterliegt einem ständigen Wandel … Neues entsteht, Altes verschwindet.

Was wir mit unserem exemplarischen Vergleich (es gäbe auch noch viele andere) deutlich machen wollen, sind die extremen Risiken, die man eingeht, wenn man zu stark auf solche Einzeltitel setzt. Denn dass sie sich nach einem Absturz wieder erholen, ist alles andere als ausgemacht. Als Beispiel dafür, dass auch nach Jahrzehnten immer noch keine Erholung einsetzen muss, betrachte man nur den Kursverlauf der Aktie von Nokia oder – als Beispiel aus Deutschland – den der Deutschen Bank.

Nokia Deutsche Bank keine Erholung

Auch mit den letzten beiden Grafiken möchten wir keine wie auch immer geartete Prognose verbinden. Was sie aber deutlich machen sollen, ist, dass jedes Unternehmen – und sei es auch noch so erfolgreich – vom berühmten marktwirtschaftlichen Prozess der schöpferischen Zerstörung nach Schumpeter betroffen sein kann. 

Schlussfolgerungen für Anleger

Aus dem vorliegenden Logbuch folgt ein klarer Ratschlag, auf den wir auch in anderen Zusammenhängen immer wieder hinweisen: Hände weg von Einzeltiteln bzw. ihrer zu starken Gewichtung. Selbst wenn sich ein solches Investment in manchen Fällen sogar in spektakulärer Weise lohnt, sind die damit verbundenen Risiken einfach zu groß. Sie sind nicht kontrollierbar und können – wenn sie zuschlagen – im schlimmsten Fall ein gesamtes Vermögen vernichten.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

 

Weil explosive Aktienkursentwicklungen einen großen Reiz auf Anlegerinnen und Anlegern ausüben, ist die Versuchung groß, sich auf die Suche nach den möglichen Kursraketen von morgen zu machen und diese stark im Depot zu gewichten. Die Gefahren einer solchen Strategie waren auch schon Thema im Podcast von Karl Matthäus Schmidt, dem Vorstandsvorsitzenden der Quirin Privatbank und Gründer der digitalen Geldanlage quirion. Hören Sie gerne in die Folge Nr. 97 rein: „Gewinner-Aktien – so selten wie die Nadel im Heuhaufen“.

Über den Autor

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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