Die ersten Börsenreaktionen
Die europäischen Aktienbörsen reagierten nach einem ersten leichten Schreck bisher sehr gelassen. US-Aktien zogen bislang sogar spürbar an (rund 5 %, Stand 07.11.2024). Das dürfte zum einen daran liegen, dass es zumindest kein langes „Auszählungshickhack“ gegeben hat. Die Märkte wollten Klarheit und die haben sie bekommen.
Zum anderen warb Trump im Wahlkampf mit weiteren Steuersenkungen, insbesondere auch im Unternehmenssektor, was die Firmengewinne ankurbeln dürfte; und er steht für weniger Regulierung, was Treibstoff für die Börsen ist.
Dennoch gibt es auch aus der Wirtschaft Befürchtungen. Trumps Steuerpläne kosten viel Geld. Von daher liegt eine deutliche Ausweitung der US-Staatsschulden nahe. Das könnte zu steigenden Zinsen führen. Dazu kommen die angedrohten Importzölle von 60 % auf Einfuhren aus China und 10 bis 20 % auf Einfuhren aus allen anderen Ländern. Das verteuert auch in den USA viele Güter und wirkt somit inflationstreibend. Zudem hemmen solche Zölle den Welthandel und sind potenziell Gift für das Wirtschaftswachstum.
Gibt es Handlungsbedarf?
Diese und ähnliche Überlegungen können Anlegerinnen und Anleger durchaus beunruhigen. Uns haben in diesem Zusammenhang bereits Anfragen erreicht, ob es zur Sicherheit nicht besser wäre, Aktienbestände zu reduzieren. Klare Antwort: Nein, das können wir ausdrücklich nicht befürworten.
Zunächst einmal sind alle diese Überlegungen rein spekulativer Natur. Ob bzw. wie genau Donald Trump tatsächlich seine Versprechen in die Tat umsetzt, steht noch in den Sternen. Möglich erscheint zum Beispiel, dass Trump zunächst nur selektive, aber schlagzeilenträchtige Zölle verhängen wird – und damit droht, viel weiter zu gehen, wenn China und Europa ihm in den Verhandlungen nicht erheblich entgegenkommen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass unter Joe Biden auf chinesische Fahrzeugimporte höhere Zölle verhängt wurden als unter Trumps erster Präsidentschaft.
Ganz grundsätzlich sollte man sich vor Augen führen, dass Regierungen in aller Regel nicht so richtungweisend für die Wirtschaft und mithin für die Börsenentwicklung sind, wie es manchmal unterstellt wird. Selbstverständlich hat es weit über die Grenzen der USA hinaus höchste geopolitische Relevanz, wer im Weißen Haus das Sagen hat. Und auch für die Wirtschaft setzt die Politik wichtige Leitplanken. Das so entscheidende Wachstum generiert die Wirtschaft aber, zumindest in demokratisch geführten Ländern, weitgehend aus sich heraus – und die USA zählen trotz aller Kratzer, die die Demokratie dort in den letzten Jahren erlitten hat, nach wie vor zum Kreis dieser Staaten.
Sehr einschneidende Folgen für die Börsen (rund um den Globus) hätte es allerdings, wenn in den USA ein Präsident am Steuer sitzen würde, der extrem wirtschaftsfeindlich agieren und damit die marktwirtschaftliche Grundordnung in den USA erschüttern würde. So unberechenbar Trump auch sein mag, das trauen wir ihm nicht zu. Im Gegenteil: Er ist sehr wirtschaftsfreundlich, wenn auch stark fokussiert auf seine Heimat, was sich aber angesichts der globalen Bedeutung der US-Wirtschaft durchaus als Pluspunkt für die Weltbörsen erweisen könnte.
Wer in den USA auf dem Chefsessel sitzt, hat letztlich eine relativ geringe Bedeutung für die mittel- bis langfristige Börsenentwicklung. Das spiegelt sich auch in den Kursverläufen des S&P 500 Index während der letzten sechs US-Präsidentschaften wider. Keine dieser Entwicklungen lässt sich maßgeblich dem Einfluss der jeweiligen Regierung zuschreiben. Interessant dabei: Sowohl unter demokratischen als auch unter republikanischen Präsidenten zeigten die Trends überwiegend nach oben. Lediglich unter George W. Bush in den Jahren 2001 bis 2009 ergab sich insgesamt eine sehr negative Entwicklung. Diese ist aber nicht ihm anzulasten – vielmehr verhagelte vor allem die geplatzte Technologieblase zu Beginn des Jahrtausends und die Weltwirtschaftskrise Ende der Nullerjahre die Performance.
Wirtschaftswachstum ist entscheidend
Viel wichtiger für die künftige Aktienmarktentwicklung ist also, ob die US-Wirtschaft ihren Wachstumskurs beibehält, idealerweise anhaltend kräftig. In den letzten zehn Jahren ist die US-Wirtschaft im Schnitt um 2,4 % gewachsen (siehe nachfolgende Grafik) und damit knapp 1 % stärker als die Euro-Zone (1,5 %). Die Chancen für ein weiterhin robustes Wachstum stehen nicht schlecht, was auch der Internationale Währungsfonds mit seinen aktuellen Prognosen untermauert.
Auch in Trumps erster Amtszeit haben sich Wirtschaft und Börsen durchaus gut entwickelt. Das durchschnittliche Wachstum lag in den Jahren von 2017 bis 2019 immerhin bei 2,7 %. Das Corona-Krisen-Management von Trump war zwar an vielen Stellen katastrophal, dennoch war der Wirtschaftseinbruch im Jahr 2020 noch vergleichsweise moderat. Und auch für die Börse war Trump alles andere als schädlich. Immerhin hat der S&P 500 in seiner Amtszeit mit einem Plus von rund 60 % überdurchschnittlich zugelegt.
Ein gewisser Vorteil dürfte zudem sein, dass die Wirtschaft und die Börsen durch die erste Amtszeit Trumps bereits Erfahrungen gesammelt haben. Trumps erratisches Verhalten ist dadurch zu einer Art „neuen Normalität“ geworden – so verstörend das manchmal auch ist.