Mein erstes persönliches dienstliches Gespräch unmittelbar nach dem Corona-Lockdown verlief äußerst frustrierend. In diesem Gespräch wollte ich einen Interessenten von den Vorzügen unseres Anlagekonzeptes überzeugen. Doch der winkte bereits nach kurzer Zeit ab und sagte, dass ich mir alle weiteren Erklärungen sparen könne, denn glücklicherweise sei er von einem Bekannten auf einen Investmentfonds hingewiesen worden, der in letzter Zeit nachweislich jedes einzelne Jahr zu den besten gehört habe und die Marktrendite daher weit hinter sich lassen konnte. Eine solche Erfolgsstory könne kein Zufall mehr sein und darum habe er sein Geld in diesem Fonds angelegt.
Der Inhalt dieses Gesprächs verweist auf eine unter Anlegern weit verbreitete Praxis, nämlich vorzugsweise in erfolgreiche Fonds zu investieren. Da es im Geschäftsleben kaum ein überzeugenderes Argument gibt als den Erfolg, ist dies absolut nachvollziehbar. Die Wirtschaftspresse ist daher auch voll mit Erfolgsstorys von Fondsmanagern. Für bestimmte Publikationen sind regelmäßige Fonds-Rankings geradezu ein Geschäftsmodell geworden.
Für das Team des Anlagemanagements der Quirin Privatbank war der frustrierende Verlauf meines Gesprächs ein Anlass, die Praxis des sogenannten „Performance-Chasing“ etwas gründlicher unter die Lupe zu nehmen. Daher wollen wir in diesem Logbuch die Frage thematisieren, wie konkrete und nachgewiesene vergangene Erfolge von Anlageprofis einzuschätzen sind, und vor allem, ob man daraus einigermaßen zuverlässig folgern kann, dass sie sich auch in Zukunft – nachdem man investiert hat – einstellen werden.
Wie sich zeigen wird, sind diese Fragen zutiefst statistischer bzw. wahrscheinlichkeitstheoretischer Natur und manche vordergründig plausible Antwort erweist sich letztlich als falsch bzw. nicht haltbar.
Zunächst möchten wir darauf hinweisen, dass es sich, wenn von nachgewiesenen Erfolgen die Rede ist, zwangsläufig immer um Erfolge der Vergangenheit handeln muss, die über einen mehr oder weniger langen Zeitraum gemessen wurden. Zudem gilt, dass ein Fonds, der über, sagen wir, sieben Jahre hinweg im Durchschnitt „besser als alle anderen war“, dies nicht zwangsläufig auch in jedem einzelnen war. Stattdessen kann der durchschnittliche Sieben-Jahres-Erfolg auch auf einen einzigen oder einige wenige glückliche Zufälle zurückzuführen sein.
Hierzu gibt es eine Studie, in der nachgewiesen wurde, dass eine bestimmte aktive Anlagestrategie über 100 Jahre lang besser war als der Gesamtmarkt, und zwar um rund einen Prozentpunkt pro Jahr, was bei einem so langen Zeitraum durchaus enorm ist. Schaut man sich die Daten aber etwas genauer an, stellt man fest, dass die Outperformance nur daran lag, dass mit der Strategie (rückblickend) vermieden werden konnte, im großen Crash während der Weltwirtschaftskrise 1929 dabei gewesen zu sein. Allen anderen Einbrüchen konnte man auch mit dieser Strategie nicht ausweichen. Bereinigt man daher die Daten um dieses eine Ereignis, dann erweist sich die Strategie sogar als unterdurchschnittlich. Für einen Anleger würde das bedeuten, dass sie oder er bei einer Investition in diese Strategie nach dem genannten Ereignis sogar eine schlechtere Wertentwicklung hätte hinnehmen müssen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie aussagekräftig überhaupt die Tatsache ist, dass die Strategie über 100 Jahre hinweg erfolgreich war? Denn trotz des zunächst beeindruckend langen Zeitraumes ist nur ein einziges Ereignis – nämlich beim großen Crash 1929 nicht dabei gewesen zu sein – für die 100-Jahres-Outperformance verantwortlich und die Aussage damit für Anleger, die investieren möchten, vollkommen unbrauchbar.
Zugegeben, dies ist ein extremes Beispiel, trotzdem aber Realität. In den meisten Fällen verhält es sich durchaus so, dass Fonds, die über einen längeren Zeitraum hinweg besser abgeschnitten haben als der Durchschnitt, auch in vielen einzelnen Teilperioden besser waren.
Und trotzdem ist auch in solchen Fällen hauptsächlich der Zufall die Ursache und nicht – wie von den meisten Anlegern vermutet – irgendwelches Können oder eine besondere Expertise. Der Grund ist einfach die große Anzahl an aktiven Fonds, so dass es ganz zwangsläufig immer eine erfolgreiche Gewinnergruppe geben muss und darunter natürlich auch einen Primus, der alle anderen hinter sich gelassen hat.
Das gilt auch für sehr lange Zeiträume, wie 10 oder gar 20 Jahre. Das Problem ist, dass man immer nur die Gewinner sieht und diese auch medial massiv befeuert werden. Dass sie aber lediglich eine Auswahl aus einer großen Gruppe nicht erfolgreicher Fonds sind, wird häufig nicht genügend beachtet.
Und damit sind wir an einem entscheidenden Punkt angelangt, der so gut wie von allen Privatanlegern falsch verstanden wird – und leider häufig auch von Profis: Auch langfristige Erfolge aktiver Fonds – selbst wenn sie über viele einzelne Teilperioden nachgewiesen sind – sind trotzdem reiner Zufall und für die Zukunft eben nicht zuverlässig wiederholbar – übrigens auch nicht mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit.
Sehr geehrte Leser, wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass dies geradezu paradox klingt und vermutlich jeder intuitiven Einschätzung völlig widerspricht. Von daher ist es erst mal schwer zu akzeptieren. Trotzdem aber ist es eine Tatsache.
Daher möchten wir die Zusammenhänge anhand eines stark vereinfachten Beispiels darlegen, dessen Grundidee kein Geringerer als der Nobelpreisträger Eugene Fama einmal in einer Diskussionsrunde skizziert hat.
Stellen Sie sich vor, Ihnen wird ein aktiv gemanagter Fonds präsentiert, dessen Anlageentscheidungen auf speziellen Marktprognosen beruhen. Der Fonds hat es tatsächlich und nachweislich geschafft, über die letzten sieben Jahre hinweg jedes Jahr besser zu sein als der Gesamtmarkt, repräsentiert durch einen geeigneten Index. Unterstellt man nun, dass die Wahrscheinlichkeit 50 % beträgt, in einem einzelnen Jahr zufällig besser zu sein als der Markt (und dass diese zufälligen Erfolgswahrscheinlichkeiten in den einzelnen Jahren unabhängig voneinander sind), dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der nachgewiesene Sieben-Jahres-Erfolg ebenfalls zufällig eingetreten ist, lediglich 0,78 %. Sie ist also verschwindend gering. Vor diesem Hintergrund wäre es völlig absurd, den nachgewiesenen Erfolg als Zufall abzutun und dem Management die behaupteten besonderen Prognosefähigkeiten abzusprechen. Man hat daher allen Grund, davon auszugehen, dass der Fonds seine Erfolge auch in Zukunft fortsetzen wird.
Und genau in der Weise betrachten Anleger auch den Erfolg von aktiven Fonds. Sie sagen sich: Wenn ein Fonds über fünf, zehn oder mehr Jahre unter den besten ist, dann kann das kein Zufall mehr sein, weil die Wahrscheinlichkeit dafür so gering ist. Man muss daher zwangsläufig davon ausgehen, dass dahinter Können steckt und der Fonds mit großer Wahrscheinlichkeit auch erfolgreich sein wird, nachdem der Anleger den Fonds gekauft hat.
An der Stelle beginnt der Trugschluss. Denn die ganze Argumentation ist nur dann stichhaltig, wenn der Fonds der einzige (oder nur einer von wenigen Fonds) wäre. Genau das ist aber nicht der Fall. Tatsächlich gibt es Tausende von Ihnen. So gibt es allein in Deutschland derzeit knapp 13.000 zum Vertrieb zugelassene Investmentfonds.
Um die Zusammenhänge genau zu verstehen, gehen wir gedanklich wieder zurück in unser vereinfachtes Beispiel: Wenn Sie sich nun vergegenwärtigen, dass genau der Fonds, der Sie mit seinem Erfolg überzeugt hat, nur einer von Tausenden ist, dann wird deutlich, dass die Schlussfolgerung, die Sie vorher gezogen haben (und die völlig vernünftig war), sich nun als Trugschluss erweist. Denn nun wissen Sie, dass man bereits bei 1.500 Fonds fast mit Sicherheit (Wahrscheinlichkeit über 99 %) davon ausgehen kann, dass mindestens einer darunter ist, der sieben Jahre hintereinander zufällig erfolgreich war. Und dies, obwohl keinerlei Können dahinterstecken muss und die Erfolgswahrscheinlichkeit pro Jahr daher lediglich 50 % beträgt. Im Durchschnitt können Sie sogar mit rund 12 erfolgreichen Fonds rechnen und die Wahrscheinlichkeit, dass die Gruppe der Fonds mit einer siebenjährigen Erfolgsserie mindestens 10 Fonds umfasst, beträgt sogar 76 % – und all dies lediglich als Ergebnis eines Zufallsprozesses.
Und einer dieser wenigen Erfolgreichen sitzt nun vor Ihnen und will Sie davon überzeugen, dass er die Entwicklungen der Märkte tatsächlich prognostizieren kann. Weil Sie jetzt aber wissen, dass alle anderen (im Mittel 1.488 Fonds) keine vergleichbaren Erfolge vorweisen konnten, ist es klüger, ihm nicht mehr zu glauben, sondern das Ganze als Zufallsereignis zu betrachten.
So verhält es sich auch in Wirklichkeit in der Branche aktiv gemanagter Fonds. Erfolgreiche Fonds mit einem durchaus beeindruckenden „Track-Record“ repräsentieren die wenigen Zufälle, die es eben aufgrund der Unmenge an aktiven Fonds zwangsläufig geben muss. Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Eine Erfolgsserie, die für einen EINZELNEN KONKRETEN Fonds praktisch ausgeschlossen ist, wird aufgrund der großen Zahl an Fonds für IRGENDEINEN oder eine kleine Gruppe von Fonds fast unvermeidlich.
Die vor allem unter Privatanlegern so sehr verbreitete Praxis, in vermeintliche Gewinner-Fonds zu investieren, ist damit eine höchst fragwürdige, ja sogar gefährliche Angelegenheit. Studien zeigen, dass sie im Durchschnitt eine geringere Rendite sowie ein höheres Risiko mit sich bringt, mit manchmal sogar katastrophalen Ergebnissen. Mit dieser Praxis ist man mitten im Kreis von vermeintlich verlässlichen Gewinnern also letztlich auf verlorenem Posten.
Autoren: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank, in Zusammenarbeit mit Philipp Dobbert, Chefvolkswirt, und Arndt Kussmann, Leiter Portfoliokonzept
Unser Tipp an Sie: Investieren Sie prognosefrei und setzen Sie nicht auf zufällige Gewinnerfonds, die zudem noch teuer sind. Mehr Anlegertipps finden Sie hier.
Und sollten Sie zu denjenigen gehören, die auch Investmentfonds in ihrem Bestand haben, scheuen Sie sich nicht, unseren kostenfreien Vermögens-Check in Anspruch zu nehmen. Unserer Erfahrung nach schlummern in den meisten Depots erhebliche Optimierungspotenziale.
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