Platz 60 von 61. Da musste ich erst mal schlucken. Das ist der Rang, den Deutschland in Sachen Fehlerkultur in Unternehmen belegt. Hinter Deutschland liegt nur noch das eher autoritär geprägte Singapur. Im internationalen Vergleich gehören wir also zu den Schlusslichtern beim positiven Fehlermanagement. Und das, obwohl immer mehr Unternehmen hierzulande durchaus versuchen, eben jenes zu etablieren.
Andere Länder sind da offensichtlich deutlich weiter als wir. In den USA sind Fehler nicht nur salonfähig, sondern werden regelrecht zelebriert. Hier gilt das Motto „Fail fast. Fail often.“. Fehler gelten hier nicht als etwas Schlechtes, sondern als Chance, sich weiterzuentwickeln. Gib nicht auf, mach direkt weiter, so die indirekte Botschaft hinter der Aussage. Bei uns wird das maximal in Start-ups so gesehen.
Natürlich gibt es Branchen, in denen das Prinzip „Fail fast. Fail often.“ verheerende Folgen hätte und damit nicht praktikabel ist, zum Beispiel in der Medizin. Hierzu hat Julia Beil kürzlich einen interessanten Artikel auf ZEIT online verfasst. Sie geht u. a. auch der Frage auf den Grund, warum wir uns für Fehler schämen, auch wenn wir nichts zu befürchten haben, und welchen psychischen Stress Fehler verursachen können.
Warum wir nicht gerne Fehler machen
Wir tun uns demnach schwer, Fehler einzugestehen, weil wir eigentlich alles richtig machen wollen, um uns die Liebe unserer engsten Bezugspersonen zu sichern. Deshalb ist es uns unangenehm, wenn uns Fehler unterlaufen. Ich kann mir aber – in meiner nicht wissenschaftlich fundierten Laienpsychologie – auch vorstellen, dass die Angst vor negativen Konsequenzen oder besser gesagt vor Strafen eine gewisse Rolle spielt. Ebenso der möglicherweise einhergehende Verlust von Vertrauen und Anerkennung. Und dann ist da noch die Selbstenttäuschung. Man hat auf etwas hingearbeitet, möchte, dass es klappt, und dann scheitert man. Das fällt insbesondere schwer, wenn man meint, alles gegeben zu haben. Auf jeden Fall schämen wir uns. Doch diese Scham hat eine wichtige Funktion: Sie schützt uns davor, immer wieder ähnliche Fehler zu begehen.
Und das ist gut so, denn: Niemand macht per se gerne Fehler. Und doch wären wir Menschen heute nicht da, wo wir sind, wenn nichts und niemand Fehler gemacht und sie mit anderen geteilt hätte.
Und auch die Wissenschaft macht sich das Prinzip „trial and error“ zu eigen. Oft wird so lange herumprobiert, bis etwas (Gutes) herauskommt. Man könnte das auch als systematisiertes Nutzen von Misserfolgen beschreiben – ein Gedanke, den ich aus unternehmerischer Perspektive unglaublich spannend finde.
Wir leben in einer Schuldkultur!
Leider sind wir – gerade in der deutschen Wirtschaft – weit entfernt von einer flächendeckenden Fehlerkultur, die dieser Denke entspricht. Wir leben eher in einer Schuldkultur. Wird ein Fehler gemacht, lautet meist die erste Frage: Wer ist schuld daran? Und diese Schuldzuweisungen sind lähmend. Zudem bringen sie uns keinen Schritt weiter. Sie tragen eher dazu bei, dass selbst kleinere Fehler unter den Teppich gekehrt werden, woraus im schlechtesten Falle dominoartige Fehlerketten entstehen können, die meist viel schlimmere Folgen als das Zugeben des ersten kleinen Fehlers gehabt hätten.
Besser geht immer
Doch wie geht es besser, wie kommen wir zu einer positiven Fehlerkultur wie in den USA beispielsweise? Nun, das funktioniert natürlich nicht von heute auf morgen. Letztlich geht es darum, eine Atmosphäre zu schaffen, die Sicherheit und Vertrauen ausstrahlt.
Und wie sagt man so schön: Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Führungskräfte wie ich sind gefragt. Wir müssen eigene Fehler zugeben, unseren Worten Taten folgen lassen und mit gutem Beispiel vorangehen. Um bei einer „Kopf-Metapher“ zu bleiben: Auch bei einem Fehler bleibt der Kopf an Ort und Stelle und wird nicht „abgerissen“. Da muss sich jeder sicher sein können. Bei der Auswahl von Führungskräften gilt es also, insbesondere auf ihre sozialen Kompetenzen zu achten.
Erfolgreich sein heißt Fehler machen
In den USA sind Fehler wie gesagt nicht verpönt, sondern willkommen. Im Silicon Valley boomen seit 2009 sogenannte „FailCons“-Konferenzen, die sich dem Scheitern von Unternehmen widmen. Erfolgreiche amerikanische Unternehmer berichten von ihren Misserfolgen und den Lerneffekten erkannter Fehler. Eines der am häufigsten zitierten Beispiele ist die Geschichte von PayPal-Gründer Max Levchin: „Das erste Unternehmen, das ich gegründet habe, ist mit einem großen Knall gescheitert. Das zweite Unternehmen ist ein bisschen weniger schlimm gescheitert, das dritte Unternehmen ist auch anständig gescheitert, aber das war irgendwie okay. Ich habe mich rasch erholt, und das vierte Unternehmen überlebte bereits. Nummer fünf war dann PayPal.“
Das alles gilt selbstverständlich auch für den Umgang mit Fehlern im Privaten. Nur wenn Kinder selber Fehler machen dürfen, haben sie überhaupt die Chance, aus ihnen zu lernen – hoffentlich aus weniger folgenschweren als dem mit der Hand und der heißen Herdplatte.
Hand aufs Herz: Auch mein Weg war nicht immer geradlinig
Für mich persönlich, aber vor allem in meiner Rolle als Vorstand der Quirin Privatbank ist mir eine positive Fehlerkultur wichtig – und gleichzeitig ist sie oft auch eine große Herausforderung. Doch letztlich siegt immer meine Überzeugung, dass es wichtiger ist, Dinge zu machen und voranzutreiben, als auf Fehlervermeidung zu achten und aus Angst vor Fehlern untätig zu bleiben.
Meine Aufgabe ist es, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Sicherheit zu geben, dass Engagement und der Versuch, neue Ideen umzusetzen, nicht bestraft werden, auch wenn mal etwas schiefläuft. Denn ansonsten ist die Folge, dass sie ihre Motivation und auch ihren Gestaltungswillen verlieren und somit keine Innovationen mehr entstehen.
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, meine Reise durch die Bankenwelt in den letzten 30 Jahren ein wenig verfolgt haben, dann wissen Sie, dass auch mein persönlicher Weg nicht immer geradlinig verlief, Gleiches gilt für den Weg von Quirin Privatbank und quirion. So hätte ich rückblickend den Vermögensverwaltungsbaustein „Markt“ gern schon viel eher eingeführt, statt auf einen Multi-Asset-Ansatz zu setzen. Erst 2013 haben wir ihn für die ganze Bank ausgerollt, obwohl zehn von 60 Beratern schon seit 2010 die Vorzüge für Kunden und deren Renditen kennengelernt hatten. Aber auch diese Erkenntnis gehört dazu: Lieber spät als nie (aus Fehlern lernen).
Von der Schuld- über die Fehler- zur Lernkultur
Mir persönlich geht „Fail fast. Fail often.“ etwas zu weit. Ich ermutige weder meine Kinder noch die Kolleginnen und Kollegen, absichtlich (mehr) Fehler zu machen, um (mehr) daraus zu lernen. Vielmehr versuche ich, ein Umfeld zu schaffen, in dem niemand Fehler unter den Teppich kehren muss aus Angst, er würde dafür bestraft.
Ich bin ein großer Fan der Lernkultur, weil sie das Positive – das Lernen – betont und nicht das Negative, den Fehler. Und Lernen kann man nur, wenn man sich das eigene Tun eingestehen kann, Verantwortung dafür übernimmt und anschließend analysiert, woran es gelegen hat. Und diese Erkenntnisse sollten eben auch mit den Kolleginnen und Kollegen geteilt werden, damit sie nicht die gleichen Fehler machen müssen. Ganz nach dem Motto „Forget the mistake, remember the lesson“.
Solche Hilfestellungen geben sich alle Quirinerinnen und Quiriner übrigens auch untereinander. In den unterschiedlichsten Runden tauschen wir Erfahrungen aus – und da gehören Misserfolge und Fehler natürlich dazu. So können wir lernen, Prozesse optimieren und letztlich – hoffentlich – immer besser werden.
Wie immer bin ich neugierig auf Ihre Erfahrungen, liebe Leserinnen und Leser: Was sind Ihre positiven Erfahrungen mit Fehlern? An welcher Kreuzung in Ihrem Leben haben Sie gegebenenfalls einen gemacht, um drei Kreuzungen später festzustellen, dass der Fehler Sie schlauer gemacht hat und möglicherweise zu Ihrem heutigen Glück beigetragen hat? Ich freue mich auf Ihre Post an kms@quirinprivatbank.de.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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