Für nicht wenige Anlegerinnen und Anleger wird die Urlaubsfreude durch die Sorge getrübt, was mit dem eigenen Wertpapierdepot alles passieren könnte, während man selbst die Sonne, das Meer oder die Berge genießt. Wir leben schließlich in unruhigen Zeiten.
Häufig malt man sich dabei ein Schreckensszenario aus, in dem die Finanzmärkte massiv einbrechen und das eigene Depot dadurch heftige Verluste erleidet; und das Ganze genau während der Urlaubszeit, so dass man hilflos zusehen muss, wie das eigene Vermögen immer mehr zusammenschrumpft. Viele haben daher den Wunsch, ihr Depot auf die eine oder andere Art „urlaubsfest“ zu machen, damit ein solches Szenario nie Realität wird.
In diesem Zusammenhang sind sogenannte „Stop-Loss-Orders“ sehr beliebt und werden insbesondere zur Urlaubszeit gern empfohlen. Dabei handelt es sich um spezielle Wertpapieraufträge, die automatisch einen Verkauf auslösen, wenn der entsprechende Wertpapierkurs eine vorab festzulegende Kursuntergrenze erreicht bzw. unterschreitet, z. B. bei minus 15 %, ausgehend vom aktuellen Kurs. Der Gedanke dahinter: Die bereits erzielten Gewinne können so gesichert bzw. Verluste begrenzt werden.
Manche Banken bieten ihren Kundinnen und Kunden zudem spezielle Finanzinstrumente an, die mit Hilfe von sogenannten Derivaten dergestalt konstruiert sind, dass ihr Wert steigt, wenn beispielsweise ein bestimmter Aktienindex fällt. Im Falle eines Aktienmarkteinbruchs werden daher die Verluste, die im ursprünglichen Aktiendepot entstehen, durch Gewinne beim Absicherungsinstrument kompensiert – so zumindest die Theorie.
In beiden Fällen handelt es sich um Konstruktionen, die den Anspruch erheben, quasi automatisch vor überraschenden Kursverlusten zu schützen. Entsprechend werden sie Anlegerinnen und Anlegern als ideale Instrumente zur Lösung ihres „Urlaubsproblems“ angepriesen.
Zumindest auf den ersten Blick sind diese Ansätze durchaus überzeugend. Was sollte man auch gegen eine automatische Verkaufsorder einwenden, die Verluste rechtzeitig begrenzt, bevor sie auswuchern? Zumal man ja obendrein die Kursuntergrenze bzw. Verlustschwelle individuell festlegen kann. Und was sollte ernsthaft gegen den Einsatz eines Finanzinstruments sprechen, das so konstruiert ist, dass es im Falle rückläufiger Marktkurse Gewinne produziert? Dadurch werden schließlich die Verluste im eigentlichen Depot kompensiert und der Wert des Gesamtvermögens bleibt auch bei sehr ungünstigen Marktentwicklungen erhalten. Was will man mehr?
Ein etwas genauerer Blick zeigt jedoch, dass diese Methoden der „Urlaubsabsicherung“ eines Depots letztlich kontraproduktiv sind und die Wertentwicklung des Vermögens insgesamt sogar negativ beeinflussen. Der Grund ist – wie so häufig – in den Kosten zu finden. Im Falle von Stop-Loss-Orders kommt zusätzlich noch das Problem hinzu, dass nach einem erfolgten Verkauf der rechtzeitige Wiedereinstieg in der Regel verpasst wird.
Stop-Loss-Orders: ausufernde Kosten und verpasster Wiedereinstieg
Um zu verstehen, warum eine zunächst so sinnvoll erscheinende Strategie wie die Erteilung einer Stop-Loss-Order letztlich nichts nützt, muss man sich den entsprechenden Ordermechanismus sowie insbesondere auch die auslösenden und anschließenden Marktbewegungen etwas genauer ansehen.
Hierzu nehmen wir an, man möchte eine Stop-Loss-Order setzen, die automatisch Verkäufe auslöst, sobald die aufgelaufenen Verluste im Depot eine 15 %-Grenze erreichen bzw. überschreiten. Zunächst bleibt festzuhalten, dass dies aus rein praktischen Gründen auf Ebene des Gesamtdepots überhaupt nicht möglich ist. Stattdessen müssen Stop-Loss-Orders grundsätzlich für jedes einzelne Wertpapier im Depot erteilt werden. Will man daher sein gesamtes Depot vor möglichen Verlusten schützen, muss für jedes einzelne Wertpapier im Depot festgelegt werden, ab welchem Kursniveau die Verkaufsorder automatisch greifen soll. Die tatsächlichen Verkäufe nach Erreichen der vorab festgelegten Kursuntergrenze erfolgen dann „bestens“, d. h., die Orderausführung erfolgt nach Erreichen der Stop-Loss-Marke zum nächsten handelbaren Kurs, unabhängig davon, ob dieser über oder unter dem ursprünglich festgesetzten Schwellenwert liegt. Zudem kann es speziell bei weniger liquiden Wertpapieren zu bösen (Kurs-)Überraschungen kommen. Denn im Falle umfangreicherer Verkaufswellen am Markt führt dies in der Regel dazu, dass man sein Wertpapier lediglich zu Kursen loswird, die weit unterhalb der gesetzten Grenze liegen. Zu den erwähnten Verkaufswellen kann es auch dann kommen, wenn viele Anlegerinnen und Anleger für ein bestimmtes Wertpapier identische Stop-Loss-Marken gesetzt haben (beispielsweise bei einem optisch markanten Kurs von 100 €).
Neben den nachteiligen Handelskosten, die durch solche Orders entstehen, muss man also damit rechnen, dass die Verkäufe zu sehr ungünstigen Kursen ausgeführt werden. Dazu kommt ein weiterer Nachteil, welcher die anschließenden Kursbewegungen betrifft. Im Grunde gibt es hierzu drei Szenarien, die in der folgenden Grafik schematisch dargestellt sind.
Von diesen Szenarien ist es im Grunde nur Szenario 1, in dem sich ein Stop-Loss-Auftrag als vorteilhaft erweist, weil man dadurch seine Positionen von den weiter abrutschenden Kursen abgekoppelt hat.
In Szenario 2 – unter hohen Schwankungen seitwärts laufende Kurse – entsteht vor allem ein Kostenproblem. Da die Kurse zwar stark schwanken, aber keine eindeutige Richtung kennen, wird unter Umständen abwechselnd verkauft und – sobald es nach oben geht – wieder eingestiegen. Damit bewahrheitet sich vor allem in diesem Szenario der alte Grundsatz „Hin und Her macht die Taschen leer!“. Steigt man dagegen nicht wieder ein, hat man sich vom Markt verabschiedet und läuft Gefahr, den rechtzeitigen Wiedereinstieg zu verpassen, denn über kurz oder lang setzen sich an den Aktienmärkten die Aufwärtstrends durch.
Dieses Problem verschärft sich im Falle von Szenario 3. Wenn Kurse einbrechen und anschließend kräftige Gegenbewegungen einsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass man den Wiedereinstieg entweder völlig verpasst oder nur zu deutlich höheren Kursen zurückkauft.
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten: Stop-Loss-Aufträge stellen sich lediglich in einem von drei möglichen Kursszenarien als vorteilhaft heraus, wogegen sie in den beiden anderen im Grunde nur Kosten produzieren und zugleich die Gefahr erhöhen, die vor allem für eine langfristig attraktive Wertentwicklung so wichtigen Aufholbewegungen der Märkte zu verpassen.
Derivative Absicherungsinstrumente: Außer Spesen nichts gewesen
Unabhängig von der Frage der letztlichen Vorteilhaftigkeit ist es sehr aufwändig, ein gesamtes Depot mittels Stop-Loss-Aufträgen gegen Kurseinbrüche zu schützen. Daher werden von Banken gerne spezielle Finanzinstrumente angeboten, die angeblich genau dies ermöglichen. Hierbei gibt es eine große Vielfalt an Produkten, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen müssen. Denn alle diese Finanzinstrumente haben die Gemeinsamkeit, dass sie so konstruiert sind, dass mit ihnen bei fallenden Kursen, z. B. des DAX, Gewinne erzielt werden. Auf diese Weise werden die im eigentlichen Depot anfallenden Verluste kompensiert – so lautet zumindest das Versprechen der Produktanbieter. Die folgende Abbildung stellt den Kursverlauf eines der günstigeren Absicherungsprodukte über die letzten fünf Jahre dar – nämlich eines sogenannte DAX-Short-ETF (gegenüber einem herkömmlichen DAX-ETF).
Die Grafik verdeutlicht den Mechanismus dieser Produkte: Sobald der Markt (hier repräsentiert durch einen am DAX orientierten ETF) fällt, steigt der Wert des Absicherungsproduktes und umgekehrt.
Was nun die Marktentwicklungen nach einem möglichen Kursrückgang anbelangt, so gilt für diese „Krisenschutz-Derivate“ im Grunde dasselbe wie für Stop-Loss-Orders: Lediglich im Falle eines anhaltenden Kursrückganges stellt sich ihr Einsatz als vorteilhaft heraus. Gehen die Märkte aber seitwärts, dann werfen sie keine Gewinne ab und man hat unnötigerweise nichts als Kosten produziert. Korrigieren die Märkte stark, d. h., es setzen nach einem stärkeren Kursrückgang heftige Gegenbewegungen ein, hat man ebenfalls das Nachsehen. Auch in diesem Fall entstehen unnötige Kosten und zugleich partizipiert man nur eingeschränkt oder (im Falle einer Vollabsicherung) sogar gar nicht davon, dass die Börsen wieder steigen.
Dazu kommt ein weiteres Problem: Die Wertentwicklung solcher „Short-Produkte“ hat die Eigenschaft der sogenannten „Pfadabhängigkeit“. Dies führt z. B. beim dargestellten DAX-Short-ETF dazu, dass die insgesamt aufgelaufenen Verluste über 5 Jahre mit knapp 40 % deutlich höher sind als die im DAX-ETF anfallenden Gewinne in Höhe von 25 %. Bei einer langfristigen Absicherung würde man daher mit beiden Positionen insgesamt Verluste produzieren. Wenn überhaupt, dann sind solche Absicherungsinstrumente also nur für kurze Absicherungsperioden geeignet. Um sie dabei allerdings erfolgreich einsetzen zu können, muss man wissen, wann die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist, dass die Aktienkurse fallen. Uns ist keine Studie bekannt, die belegt, dass dies besonders in Urlaubszeiten der Fall sein sollte.
Für den erfolgreichen Einsatz solcher Absicherungsprodukte benötigt man also die Fähigkeit des sogenannten „market timings“. Dass diese Fähigkeit aber niemand haben kann, ist durch empirische Studien vielfach belegt.
Halten wir also fest: Sowohl Stop-Loss-Aufträge als auch speziell konstruierte „Krisenschutz-Instrumente“ sind im Rahmen einer strategisch orientierten Aktienanlage letztlich wertlos. Sie verursachen in der Regel hohe Kosten und erweisen sich – wenn überhaupt – nur kurzfristig als vorteilhaft. Insgesamt gefährdet ihr Einsatz den langfristigen Vermögenaufbau.
Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank
Was in jedem Fall aber sinnvoll ist, ob Urlaubszeit oder nicht, ist eine Depotvollmacht für eine Vertrauensperson, die im Fall der Fälle in Ihrem Interesse handeln kann. Sie haben noch keine eingerichtet? Dann melden Sie sich gerne bei Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater und vereinbaren Sie einen Termin.
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