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„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“

Prof. Dr. Stefan May
,
Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung
8
Minuten

„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“[1] Im Schatten neuer Höchstkurse an den Aktienmärkten und auch beim Bitcoin hat der Goldpreis jüngst mit 2.195,26 US-Dollar pro Feinunze ein neues Allzeithoch markiert.

Neue Goldpreisspitze

Was treibt den Goldpreis aktuell an?

Am Kapitalmarkt wird nun darüber gerätselt, was denn überhaupt der Auslöser für den jüngsten Kursschub war.

Von Seiten der privaten Nachfrage nach börsennotierten Goldinvestments (speziell nach Gold-ETFs) gibt es derzeit – vor allem in den Industrieländern – keine Impulse. Diese Flaute hält übrigens schon seit längerem an, wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht. Hintergrund ist vermutlich das Ende der Nullzinsphase. Viele Anlegerinnen und Anleger dürften sich in den letzten beiden Jahren wieder verstärkt Zinsanlagen zugewandt haben. 

Goldinvestments an der Börse erstaunlich wenig gefragt

Am Markt kursieren also eher andere Gründe für den jüngsten Goldpreisanstieg:     

  • Käufe von physischem Gold durch Zentralbanken
    Schon seit längerem und wohl auch aktuell sind vor allem die Notenbanken des „Globalen Südens“ (insbesondere auch aus China) als fleißige Käufer aktiv. Insbesondere die Sanktionen gegen Russland und die faktische Enteignung seiner Dollar-Währungsreserven waren eine deutliche Erinnerung, dass Dollarreserven keineswegs risikolos sind. Speziell Zentralbanken aus – vorsichtig formuliert – nicht lupenreinen Demokratien wollen sich mit Gold gegen mögliche Sanktionen der G7-Länder absichern. Denn in diesem Fall können Zentralbanken in aller Regel weiter frei über ihre physischen Goldbestände verfügen.

    Die Nachfrage von Zentralbanken wird im Markt auch als gewichtiger Grund gesehen, dass der Goldpreis weiter steigen könnte. An dieser Stelle geben wir aber zu bedenken, dass das World Gold Council[2] schätzt, dass nur etwa 10 % der Preisentwicklung durch das Verhalten der Zentralbanken erklärt werden kann – neben der Investment-, Schmuck- und allgemeinen Industrienachfrage.
  • Private Nachfrage nach physischem Gold aus China und Indien
    Angesichts des starken Wachstums und zunehmenden Wohlstands in Indien wird gemutmaßt, dass für den jüngsten Preisanstieg auch die deutlich gestiegene Nachfrage nach Goldschmuck verantwortlich ist. Zudem sollen derzeit auch viele Chinesinnen und Chinesen wegen des taumelnden inländischen Immobilienmarktes nach alternativen Anlagen suchen.
  • Spekulative Wetten auf den Goldpreis
    Offenbar haben in letzter Zeit auch Gold-Spekulationen an den sogenannten Terminmärkten[3] zugenommen, die für zusätzlichen Schub gesorgt haben könnten.

Wie immer bei der Suche nach Gründen für Kurssteigerungen und beim Rätseln über die weitere Entwicklung ist eine gehörige Portion Spekulation im Spiel. Die Antwort auf die Frage, wer bzw. was tatsächlich für den jüngsten Preisanstieg beim Gold verantwortlich war, wird also nicht restlos geklärt werden können.

Wir möchten uns an dieser Stelle aber einer nach unserer Überzeugung wichtigeren Frage zuwenden: Inwieweit ist eine Goldquote als Ergänzung zu einem breit gestreuten Aktien- und Anleihendepot überhaupt notwendig?

Gold

Der Nimbus von Goldinvestments und seine Tücken

Grundsätzlich erfreut sich Gold bei vielen Anlegerinnen und Anlegern vor allem als schützendes Investment in Krisenzeiten großer Beliebtheit – speziell in Phasen mit hoher Inflation. Vor dem Hintergrund der „Story“, die hinter Gold steckt, ist das grundsätzlich auch nachvollziehbar. Gold als Sachwert und teils auch als Zahlungsmittel gibt es schließlich schon seit einer Ewigkeit – und dabei ist es selbst in den größten Krisen nie wertlos geworden. Zudem überstand Gold auch die meisten Inflationsphasen, sogar die Hyperinflation in den 1920er Jahren. In der jüngeren Historie sind vielen Anlegerinnen und Anlegern vor allem die 2000er Jahre im Gedächtnis geblieben, in denen Gold eine fulminante Performance hingelegt hat, während Aktieninvestments aufgrund des Platzens der Hightech-Blase zwischen 2000 und 2003 und der Weltfinanzkrise 2007/2008 schwere Verluste hinnehmen mussten.

Ein goldenens Jahrzehnt

Aufgrund dieser Entwicklungen wird aber leicht übersehen, dass Gold in Krisen- und speziell auch in Inflationsphasen kein Selbstläufer ist[4]. Zum Beispiel verlor auch der Goldpreis im Auge des Sturms der Finanzkrise im Jahr 2008 erst einmal rund 25 % an Wert, weil am Kapitalmarkt im Prinzip alles außer langlaufenden Staatsanleihen erstklassiger Bonität verkauft wurde. Viele Anlegerinnen und Anleger dürften in dieser Phase auch beim Gold entnervt das Handtuch geworfen und den anschließenden Anstieg (zumindest in Teilen) verpasst haben.

Die folgende Grafik vergleicht die Goldpreisentwicklung mit der Entwicklung eines international gestreuten Aktienindex (MSCI World[5]) in den Dekaden seit Erstnotierung des MSCI World Index Ende 1969 (letzte Dekade erweitert um den Zeitraum vom 31.12.2019 bis 19.03.2024).

Aktienkurse und Goldpreis im Speigel der Zeit

Die Charts verdeutlichen: Wer Gold langfristig zur Absicherung im Krisenfall hält, muss auch erhebliche Durststrecken in Kauf nehmen und verpasst dabei mit dem entsprechend investierten Teil des Vermögens nicht selten sehr starke Aktienmarktphasen.

Gold versus Aktien – der entscheidende Unterschied

Mit einem (möglichst breit gestreuten) Aktienmarktinvestment beteiligt man sich an der Essenz des weltweiten unternehmerischen Risikos und erhält dafür letztlich auch eine „Entlohnung“ in Form einer im Vergleich zu anderen Anlageformen deutlich erhöhten Rendite. Man spricht hier auch von einer „Risikoprämie“. Diese ist nicht garantiert und fällt auch nicht in allen Zeiträumen an, ja es kann zwischenzeitlich sogar zu erheblichen Kursverlusten kommen – langfristig kann man sich aber auf eine positive Wertentwicklung verlassen, solange das marktwirtschaftliche System existiert. Bisher jedenfalls haben sich internationale Aktienmärkte noch von jeder Krise erholt.

Gold fehlt diese Eigenschaft. Es gibt keinen ökonomischen Grund, warum ein reines Goldinvestment systematisch eine positive Rendite erzielen sollte. Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil ist Knappheit allein kein solcher Grund. Anders sieht die Sache aus, wenn Gold verarbeitet wird, z. B. in der Elektronik- oder der Schmuckindustrie. Da findet Gold eine produktive Verwendung – dann befinden wir uns aber wieder in der Welt der Unternehmen und Aktien.

Die Wertentwicklung von Gold ist also völlig unkalkulierbar. Bei Aktien dagegen ist der Sachverhalt ein völlig anderer. Hier wird das investierte Geld buchstäblich in Arbeit gebracht und partizipiert an der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Dies ist letztlich der Grund, warum man für gut diversifizierte Aktienportfolios langfristig voraussichtlich eine auskömmliche Rendite erwarten kann.

Wohlwissend, dass es sich dabei um eine Momentaufnahme handelt (und eine solche sollte man nie überinterpretieren), verdeutlicht auch der vergleichende Blick auf den Gesamtzeitraum seit Auflegung des MSCI World Index die Überlegenheit eines Aktienmarktinvestments. 

Aktien versus Gold

Fazit

Gold ist ein sehr stark von emotionalen Beweggründen getriebenes Investment mit einer völlig unberechenbaren Wertentwicklung. Von daher stellt es keine vernünftige Konkurrenz zu Aktien dar, auch wenn es in der Historie Phasen gab, in denen Goldinvestments den breiten Aktienmarkt sehr deutlich hinter sich ließen.

Gold ist also für den langfristigen Vermögensaufbau ungeeignet. Allerdings verschaffte es sich über Jahrhunderte hinweg den Nimbus einer Krisenanlage und hat daher auf viele Anlegerinnen und Anleger für den Fall der Fälle eine beruhigende Wirkung.

Darum gilt: Wenn Gold, dann nur als kleiner Vermögensanteil, falls man sich damit wirklich besser fühlt. Man sollte an ihn aber keine positive Renditeerwartung stellen.

Am Ende hängt also doch nicht alles am Gold.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

 

[1] Zitat: Gretchen in Goethes „Faust“
[2] Der World Gold Council ist eine globale Lobbyorganisation der Goldminenindustrie. Ziel des WGC ist es, die Nachfrage nach Gold zu stimulieren und zu erhalten.
[3] „Wetten“ auf steigende oder fallende Goldpreise mit Finanzinstrumenten, die sich um ein Vielfaches stärker bewegen als der Goldpreis selbst.
[4] Zum Thema Gold als Inflationsschutz lesen Sie gern auch diesen Logbuch-Eintrag: https://www.quirinprivatbank.de/news/ml210702-geldanlage-mit-inflationsschutz
[5] Der MSCI World ist kein optimal diversifizierter Index, seine Historie reicht aber sehr weit zurück, so dass er für Vergleichszwecke gut geeignet ist.

 

Über lange Zeiträume bergen die Kapitalmärkte oft attraktive Renditechancen. Aber was wäre denn in der Vergangenheit konkret aus einer Vermögensanlage an verschiedenen Märkten geworden, z. B. an der Aktienbörse oder am Goldmarkt, wenn man sein Geld dort langfristig angelegt hätte? Vielleicht haben Sie sich das auch schon einmal gefragt. Für Aufklärung sorgt der Podcast von Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer der digitalen Geldanlage quirion. Hören Sie sich gerne die Folge Nr. 200 an: „Aktien, Gold & Kryptos – was wäre nach 30 Jahren aus 100.000 Euro geworden?“

Über den Autor
Prof. Dr. Stefan May

Prof. Dr. Stefan May ist als Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung seit 2014 bei der Quirin Privatbank tätig und hat jahrzehntelange Erfahrung in der Kapitalmarktpraxis. Er ist zudem seit rund 30 Jahren Professor für Finanzmarktanalyse und Portfoliomanagement an der Technischen Hochschule Ingolstadt (mittlerweile emeritiert). Prof. May hatte maßgeblichen Anteil an der Einführung unseres auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung basierenden Anlagekonzepts. Als Vorsitzender des Anlageausschusses der Bank ist er – gemeinsam mit dem Team der Vermögensverwaltung – nach wie vor für die fortlaufende Gestaltung und Optimierung der Anlagestrategien verantwortlich.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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