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Geduld lohnt sich – auch bei Anleihen

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Die Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten im bisherigen Jahresverlauf weist eine Besonderheit auf, die viele Anlegerinnen und Anleger irritiert: die ungewöhnlich hohen Kursverluste im Segment der internationalen Anleihen. Üblicherweise sind die Ausschläge an den Anleihemärkten deutlich weniger stark ausgeprägt als die an den Aktienmärkten – und zwar sowohl nach oben als auch nach unten. Dies macht die folgende Grafik deutlich, welche die Entwicklung des MSCI-Weltaktienindexes sowie des internationalen Anleiheindexes Bloomberg Global Aggregate Bond in den letzten fünf Jahren zeigt (per Stichtag 31.12.2021).

Wertentwicklung Akien versus Anleihen

Diese Regel wurde jedoch in den letzten Monaten durchbrochen. Seit Anfang des Jahres haben sich nicht nur die Aktienkurse stark nach unten bewegt, sondern fast im selben Ausmaß auch die Kurse von Anleihen, was durch nachfolgende Abbildung deutlich wird.

Wertentwicklung Akien versus Anleihen

Die Gründe hierfür sind in der aktuellen wirtschaftlichen Situation – insbesondere einer ausufernden Inflation – zu finden, welche die Zentralbanken weltweit zu einer restriktiveren Geldpolitik zwingt. Die Folge sind kräftig steigende Leitzinsen (siehe Anstieg am rechten Ende des folgenden Charts) und die weitestgehende Einstellung der großvolumigen Anleihekäufe durch die Notenbanken.

Notenbanken ziehen die Zinszügel an

Die kräftigen Leitzinsanhebungen der Notenbanken haben nicht nur Zinserhöhungen am sogenannten „kurzen Ende“ des Laufzeitenspektrums ausgelöst, sondern auch auf das lange Ende, d. h. auf die Renditen langlaufender Staatsanleihen (und anderer Anleihesegmente), durchgeschlagen und dort ebenfalls einen kräftigen Renditeanstieg bewirkt (siehe Chart).

Anleiherenditen ziehen kräftig an

Steigende Marktrenditen führen zu fallenden Anleihekursen …

Eine ansteigende Marktrendite führt zunächst einmal dazu, dass neu herausgegebene Anleihen mit besseren Konditionen, sprich höheren (an die gestiegene Marktrendite angepassten) Kupons, ausgestattet werden müssen. Bereits umlaufende Anleihen dagegen, deren Kupons ja bereits vor dem Zinsanstieg fixiert wurden, müssen zwangsläufig im Kurs fallen, so dass auch sie – trotz des vergleichsweise niedrigen Kupons – für potenzielle Käufer weiterhin attraktiv bleiben.

Hintergrund: Der Zinskupon einer Anleihe ist in der Regel fix und kann sich folglich nicht anpassen, wenn sich das Marktzinsniveau ändert. Die einzig mögliche Stellschraube ist der Kurs der Anleihe. Vereinfacht gesagt: Eine neu herausgegebene und an das gestiegene Zinsniveau angepasste Anleihe hat einen vergleichsweise hohen Zinskupon sowie einen Ausgabekurs von 100 %. Ältere, bereits umlaufende Anleihen haben demgegenüber einen vergleichsweise niedrigen Zinskupon, was durch einen Anleihekurs von unter 100 % wertmäßig ausgeglichen wird – schließlich erfolgt bei Endfälligkeit die Rückzahlung zu 100 %.

Bei bereits umlaufenden Anleihen führen steigende Marktrenditen somit zu Kursverlusten. Diese Verluste sind umso stärker, je länger die Restlaufzeit einer Anleihe ist. Und genau dieser negative Kurseffekt eines Renditeanstiegs ist seit Jahresanfang zu beobachten und hat so gut wie allen Anleihedepots – abhängig von ihrer durchschnittlichen Restlaufzeit – teilweise erhebliche Kursverluste beschert.

… aber verbessern zugleich die Konditionen einer Wiederanlage

Viele Anlegerinnen und Anleger werden sich jetzt vermutlich die Frage stellen, wie es nach diesen kräftigen Kursverlusten nun weitergeht oder ob man sich vielleicht sogar komplett aus Anleiheinvestments zurückziehen sollte. Eine Antwort hierauf liefert ein weiterer Effekt eines erfolgten Renditeanstiegs … der sogenannte „Wiederanlageeffekt“. Bei Anlegerinnen und Anlegern, die nur wenige Festverzinsliche im Depot halten, spielt er nur eine äußerst geringe Rolle, aber im Rahmen eines Wertpapierdepots, welches viele Anleihen mit den unterschiedlichsten Restlaufzeiten enthält, übt er einen sehr großen Einfluss auf dessen zukünftige Wertentwicklung aus.

Worum geht es dabei konkret? Wie bereits erläutert, müssen Anleihen nach einem Anstieg der allgemeinen Marktrendite entweder im Kurs fallen oder aber – im Fall von Neuemissionen – mit einem höheren Zinskupon ausgestattet werden. In beiden Fällen verbessern sich dadurch die Konditionen, zu denen in festverzinslichen Wertpapieren neu investiert werden kann. Dies begünstigt insbesondere Rentendepots, in denen sich Anleihen in größerer Anzahl und mit möglichst unterschiedlichen Restlaufzeiten befinden.

Denn in solchen Depots sind fällig werdende Anleihen (oder auch größere Zinszahlungen) laufend durch Wiederanlagen zu ersetzen. Und das kann eben nach einem erfolgten Renditeanstieg zu deutlich verbesserten Konditionen geschehen – je nachdem wie stark der Zinsanstieg war. Der Wiederanlageeffekt im Zuge eines Renditeanstiegs beeinflusst die zu erwartende zukünftige Wertentwicklung somit positiv (Zinserträge steigen) – im Gegensatz zum aktuell negativ wirkenden Kurseffekt als Folge der gefallenen Anleihekurse.

Ein Anstieg der allgemeinen Marktrendite beeinflusst den Kurswert eines Depots aus Festverzinslichen daher zweifach. Zunächst müssen unmittelbare Kursverluste beim Anleihebestand hingenommen werden, was den Depotwert in der Gegenwart nach unten drückt. Mittel- und langfristig jedoch schlagen die verbesserten bzw. höher rentierlichen Wiederanlagebedingungen positiv auf den Depotwert durch. Beide Effekte sind im folgenden Schaubild schematisch dargestellt.

Die zwei Seiten eines Renditeanstiegs

Ausdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass sich in der aktuellen Situation ansteigender Renditen ausschließlich der negative Kurseffekt im Depot zeigt, wohingegen der Wiederanlageeffekt eine gewisse Zeit braucht, um seine positive Wirkung zu entfalten. Die Auflösung eines Anleihedepots zum jetzigen Zeitpunkt würde daher bedeuten, dass man die aktuellen Kursverluste zementiert und sich zugleich der Vorteile des Wiederanlageeffekts beraubt.

Kursverluste auch durch Ausweitung sogenannter „Bonitätsspreads“ verursacht

In einem Depot, welches neben Staatsanleihen auch Anleihen von Unternehmen enthält, werden die beschriebenen Auswirkungen noch durch einen weiteren Effekt verstärkt. Zeitgleich mit den ansteigenden Renditen für (sichere) Staatsanleihen haben sich nämlich vor allem aufgrund des kräftigen wirtschaftlichen Abschwungs und anderer vielfältiger Unsicherheitsfaktoren auch die Renditeabstände zwischen Unternehmensanleihen und sicheren Staatsanleihen („Bonitätsspreads“) ausgeweitet (siehe Chart).

Steigende Bonitätsspreads in USA und Europa

Dieser Renditeabstand reflektiert eine von der Gesamtheit aller Anlegenden verlangte Risikoprämie für Anleihen, deren Rückzahlung aufgrund von Unwägbarkeiten eben nicht zu 100 % sicher ist, wie man das z. B. insbesondere für deutsche oder auch amerikanische Staatsanleihen unterstellt. Die jüngste Ausweitung der Bonitätsspreads ist nun eine Konsequenz der Tatsache, dass in der Wahrnehmung der Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer das Ausfallrisiko für Unternehmensanleihen in einer Phase des wirtschaftlichen Abschwungs ansteigt, so dass sich auch die hierfür verlangten Risikoprämien erhöhen und Anlegerinnen und Anleger als Konsequenz höhere Renditeaufschläge ggü. Staatsanleihen verlangen.

Dieser Effekt hat trotz der damit zunächst ebenfalls einhergehenden Kursverluste aber auch noch eine ganz spezielle positive Seite. So schnell sich derartige Renditedifferenzen durch gestiegene Risikoprämien aufbauen – wie dies im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 geschehen ist –, so schnell können sie sich im Zuge einer wirtschaftlichen Normalisierung auch wieder zurückbilden. Dies wiederum kann unter Umständen sogar sehr rasch auch wieder zu steigenden Kursen der entsprechenden Unternehmensanleihen führen – allein aufgrund der Tatsache, dass die Risikoprämien wieder fallen. In gewisser Weise verhalten sich daher deren Kurse in ähnlicher Weise wie Aktienkurse. Auch hier kann ein durch eine wirtschaftliche Normalisierung ausgelöster Stimmungsumschwung sehr schnell zu kräftigen Kurssteigerungen führen.

Mays Logbuch: Geduld lohnt sich – auch bei Anleihen

Fazit

Ausgelöst durch einen kräftigen Anstieg der allgemeinen Marktrendite sowie eine gleichzeitige Spreadausweitung (Renditedifferenz von Firmenanleihen zu sicheren Staatsanleihen), haben sich im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 ausschließlich die negativen Seiten eines Renditeanstiegs gezeigt, d. h. Anleihedepots mussten teilweise heftige Kursverluste verkraften. Der mit steigenden Renditen ebenfalls einhergehende lukrativere Wiederanlageeffekt wird im weiteren Verlauf der Entwicklung aber dafür sorgen, dass Anleihedepots voraussichtlich trotzdem wieder positive Wertentwicklungen aufweisen werden.

Befinden sich in einem Depot neben Staatsanleihen auch Anleihen von Unternehmen, so wird diese positive Entwicklung im Zuge einer Normalisierung der wirtschaftlichen Lage – mit der über kurz oder lang zu rechnen ist, denn keine Krise währt ewig – noch zusätzlich durch Kursgewinne aufgrund eines damit einhergehenden Abbaus der Bonitätsspreads verstärkt.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

 

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Disclaimer/rechtliche Hinweise

Der Beitrag ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Er enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Erläuterungen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Die Informationen wurden einzig zu Informations- und Marketingzwecken zur Verwendung durch den Empfänger erstellt und können keine individuelle anlage- und anlegergerechte Beratung ersetzen.

Die Informationen stellen keine Anlage- Rechts- oder Steuerberatung, keine Anlageempfehlung und keine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräußerung dar. Die Vervielfältigung und Weiterverbreitung ist nicht erlaubt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne unsere ausdrückliche vorherige schriftliche Genehmigung nachgedruckt oder in ein Informationssystem übertragen oder auf irgendeine Weise gespeichert werden, und zwar weder elektronisch, mechanisch, per Fotokopie noch auf andere Weise.

 

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