Ein Interview von Karl Matthäus Schmidt mit Steffen Orben, Deutsche Börse Commodities GmbH
In Zeiten der Krise suchen viele Anleger nach Sicherheit, so zum Beispiel in Gold. Die Rede ist dann immer von der sogenannten Flucht in die sicheren Häfen. Fakt ist: Das Edelmetall glänzt in der Coronakrise so strahlend wie nie. In Euro gerechnet wurden jüngst immer wieder neue Allzeit-Hochs markiert. Und dennoch ist Gold mit Vorsicht zu genießen.
Karl Matthäus Schmidt: Je stärker die Krise, desto mehr werden vermeintlich sichere Anlagen wie Gold nachgefragt. Wenn Sie wissen wollen, wie die Quirin Privatbank zu Gold steht, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie in meinen Podcast reinhören. Den können Sie auf der Website der Quirin Privatbank anhören und natürlich auch bei Apple Podcast oder Spotify. Aber heute werde ich nicht gefragt, heute stelle ich mal die Fragen und freue mich ganz besonders, dass ich den Geschäftsführer vom Xetra-Gold der Deutschen Börse hier im Call habe. Hallo, Steffen Orben!
Steffen Orben: Hallo, Karl, guten Tag!
Liebe Leser, was Sie nicht wissen: Steffen Orben kenne ich schon sehr, sehr lange, wir haben nämlich zusammen in Nürnberg studiert. Und ich darf Ihnen ein Geheimnis verraten: Er war wirklich der fleißigste Student, den ich kannte. – Ist das so?
Ich war regelmäßig in der Bibliothek anzutreffen, das stimmt.
Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass Gold in Krisenzeiten besonders boomt, und ich wollte einfach mal nachfragen: Steffen Orben, ist das diesmal auch so?
Ja, in dieser Krise jetzt seit März ist es genauso wie in den vorangegangenen Krisen, angefangen im Jahr 2000 und 2001 mit der Dotcom-Blase und dann den Anschlägen am 11. September in New York, wo damals auch der Startpunkt für die große Rally im Goldmarkt gelegt wurde. 2008 natürlich mit der Finanzmarktkrise und auch in diesem Jahr mit der COVID-19-Krise. Wir sehen große Zuflüsse in das Produkt und auch der Goldpreis konnte sich auf dem hohen Niveau stabilisieren.
Hast du denn ein paar Zahlen für uns? Wie viel Gold lagert ihr bei Xetra-Gold überhaupt ein? Ich habe ehrlich gesagt gar keine genaue Vorstellung.
Xetra-Gold wurde ja 2007 an den Markt gebracht – während der Finanzmarktkrise. Zum Ende letzten Jahres hatten wir knapp über 200 Tonnen Gold im Tresor. Das entspricht einem Gegenwert von knapp 10 Milliarden Euro. Seit März, seit der COVID-19-Krise, ist das Anlagevolumen noch mal um fast 15 Prozent angestiegen auf fast 220 Tonnen.
Du hast den Tresor angesprochen. Wo ist der denn eigentlich? Ich denke, das ist eine ganz wichtige Information. Ist der hier in Deutschland?
Der Tresor steht in Deutschland. Wir haben zwei Lagerstellen. Für Xetra-Gold ist die Hauptlagerstelle hier in Deutschland, dort liegen über 210 Tonnen Gold, und dann haben wir noch eine kleine Lagerstelle in London für Prozessgründe, also abwicklungstechnische Gründe. Aber diese Lagerstelle ist mit 5 Tonnen relativ klein.
Wie funktioniert das eigentlich? Ich kaufe ja so einen ETC an der Börse, ganz normal wie jedes andere Wertpapier. Wie geht es dann weiter, wie kommt es zu dieser physischen Hinterlegung?
Also, ich hole mal ein bisschen aus. Wenn ein Anleger oder die Quirin Privatbank Xetra-Gold an der Wertpapierbörse kaufen – auf Xetra natürlich –, dann erwartet die Quirin Privatbank die Gutschrift dieses Wertpapiers in zwei Tagen: t+2 settlement. Der Marketmaker kommt am Tag, an dem die Quirin Privatbank die entsprechende Goldmenge kaufen wird, zur Emittentin und sagt: Ich muss in zwei Tagen, sagen wir mal, eine Tonne Gold oder eine Million Stücke Xetra-Gold an die Quirin Privatbank liefern. Wir als Emittentin antworten: Lieber Marketmaker, ich werde dir diese Stücke in zwei Tagen auf dein Konto gutschreiben, so dass du sie dann weiterreichen kannst an die Quirin Privatbank. Wir benötigen aber eine Gutschrift der entsprechenden Menge Gold auf unserem Gold-Konto in London. Und wenn wir dann am nächsten Tag t+1 oder am frühen Morgen des zweiten Tages diese Gutschrift sehen auf unserem Gold-Konto, dann wird auf der anderen Seite das Wertpapier begeben – das ist eine Daueremission – und dann der Quirin Privatbank gutgeschrieben. Somit hat die Emittentin am Tag 2 ihre Passivseite erhöht um eine Million Stücke Schuldverschreibungen und hat auf der Aktivseite eine Gutschrift von einer Tonne Gold auf dem Gold-Konto. Dann gucken wir nach: Eine Tonne Gold, dürfen wir die in London behalten? Oder entscheiden wir, das Gold nach Frankfurt zu liefern? Dann wird ein Werttransportunternehmen beauftragt, die entsprechende Menge Gold von London nach Frankfurt zu bringen.
Ich muss noch mal kurz nachfragen, weil ja nicht jeder mit diesem Wertpapierabwicklungsthema so vertraut ist: Am Ende kaufe ich also ein Wertpapier und bei euch kommt in gleicher Höhe ein echtes Goldstück oder ein Barren dazu – ist das richtig?
Korrekt. Bei uns im Tresor liegen zwölfeinhalb Kilo Standardbarren, die sind relativ groß, relativ schwer, aber das ist die im Großhandel übliche Stückelung.
Und physisch ausliefern lassen kann ich mir das als Anleger auch. – Stimmt das oder ist das nur ein Marketinggag?
Es ist im Prospekt verbrieft und somit kein Marketinggag. Bis gestern hatten wir insgesamt über 1.200 Ausübungen seit Bestehen des Produktes, also seit 2007. Und insgesamt haben wir fast 5,9 Tonnen Gold ausgeliefert.
Steffen, was macht denn Gold eigentlich zu diesem Stabilitätsanker seit Tausenden von Jahren? Was ist der Grund dafür?
Jeder Anleger erhält ja durch irgendeine Tätigkeit Geld, also das im jeweiligen Raum gültige Zahlungsmittel. Wenn einer arbeitet, verdient er Euro. Und diese Euro muss er ja irgendwie anlegen. Man legt sie entweder auf ein Sparbuch und hofft, dass man einen Zins kriegt – was ja ein Kreditrisiko ist, wenn ich der Bank das Kapital überlasse. Oder ich mache eine Kapitalüberlassung an eine Firma, indem ich eine Aktie kaufe. Aber in beiden Fällen der Kapitalüberlassung bin ich natürlich abhängig davon, dass der Kreditnehmer das Kapital auch wieder zurückzahlt, also der Unternehmer sorgfältig mit dem von mir überlassenen Kapital umgeht oder der Kreditnehmer das Kapital mit Zinsen zurückzahlt. Und Gold ist eines der wenigen Produkte, bei denen es keinen Kapitalnehmer gibt. Es ist ein Rohstoff. Ich kaufe einen Rohstoff, der zum Werterhalt dient. Es ist keine Kapitalüberlassung an einen Dritten. Deshalb hat Gold auch keine Rendite und auch keine Dividende, weil mit dem Kapital ja nichts passiert. Aber seit Tausenden von Jahren dient Gold aufgrund der metallischen Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel und wird ja auch schon seit Jahrhunderten bei den Banken und seit fast hundert Jahren auch bei den Zentralnotenbanken in der Form als Währung geführt, als Währungskonto. Und somit kann man natürlich auch sagen: Gold ist nur eine andere Währung. Also, ich habe Euro, ich habe Norwegische Kronen, ich habe den Schweizer Franken, den US-Dollar, und ich habe Gold als Währung – und somit ist es nur eine andere Anlageklasse.
Meine Frau würde wahrscheinlich eher Goldschmuck bevorzugen. Aber wie hältst du es denn selber mit dem Gold, Steffen? Hast du überhaupt in Gold angelegt?
Also, meine Frau bevorzugt auch den Goldschmuck. Und meine Mutter schenkte ihren Kindern gerne Goldmünzen wie den Krügerrand, etwa als Geschenk zum Abitur oder zum 21. Geburtstag, weil die sehr schön anzuschauen sind und da auch schon immer der Werterhalt gegeben war. Ich persönlich habe meine Vermögensanlage ähnlich strukturiert, wie wir es gelernt haben an der Universität, Karl, das Aktienanleiheportfolio ist uns beiden ja sehr wohl bekannt – das Capital-Asset-Pricing-Modell haben wir beide an der Universität gelernt. Ein Portfolio sollte aber auch eine Allokation in Gold haben. So gesehen habe ich sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt die größte Allokation in Aktien, weil dort die zu erwartende Rendite über den langen Zeitraum am höchsten ist. Ich habe eine geringe Allokation in Anleihen, weil Anleihen wenig Kreditrisiko beinhalten – also keine Unternehmensanleihen, sondern Staatsanleihen, die relativ wenig rentieren. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Kurssteigerung von Staatsanleihen ist nicht so hoch. Und Zinserhöhungen würden zu Kursverlusten bei Staatsanleihen führen. Also drehe ich schon ein bisschen meine persönliche Position von Staatsanleihen in Gold, obwohl ich auch dort die Möglichkeit eines Kursverlustes habe. Denn wenn Zinsen steigen und Anleihen verlieren, wird wahrscheinlich auch Gold verlieren. Das Wertsteigerungspotenzial sehe ich aber in der Anlage Gold im Moment ein bisschen höher. Für mich als Privatanleger ist meine Position in Gold zwischen fünf und zehn Prozent.
Fünf Prozent ist auch das, was wir in der Quirin Privatbank empfehlen – plus minus zwei Prozent je nach Sicherheitsgefühl. Wir haben also heute gelernt, dass Gold nicht nur eine Versicherung ist, sondern eine Währung – und vielleicht die neuen Staatsanleihen. In diesem Sinne bedanke ich mich ganz herzlich bei Steffen Orben für seine Zeit. Und weiterhin gute Geschäfte mit Xetra-Gold! Danke schön.
Bitte schön.
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